Fraunhofer IPK: Rasantes 3D-Röntgen im OP
26.10.2011 -
Fraunhofer-Forscher entwickeln in Zusammenarbeit mit der Charité - Universitätsmedizin Berlin und der Ziehm Imaging GmbH ein 3D-Röntgensystem, das sich nahtlos in den Ablauf einer Operation integrieren lässt. Mit einer neuartigen Anordnung entfällt die Notwendigkeit, die Operation zu unterbrechen, um ein herkömmliches Röntgengerät zur Kontrolle des chirurgischen Eingriffs an den OP-Tisch heranzufahren.
Frau S. ist angespannt - in drei Tagen soll ihr ein Wirbelsäulenimplantat eingesetzt werden. Die ältere Dame hat Angst vor Komplikationen. Das ist nicht unbegründet, schließlich fordern komplexe Eingriffe, etwa an der Wirbelsäule, am Kopf oder Sprunggelenk selbst versierte Chirurgen heraus.
Um das Komplikationsrisiko bei schwierigen Operationen zu minimieren und Folgeeingriffe zu vermeiden, überprüfen Ärzte das Ergebnis intraoperativ mit Hilfe von dreidimensionalen Röntgenbildern. Mit der 3D-Bildgebung lässt sich die Lage von Implantaten und Frakturfragmenten kontrollieren. Die Position von Knochenteilen zueinander kann exakt bestimmt, Implantate können millimetergenau ausgerichtet werden.
Das Problem: Derzeit verfügbare 3D-Röntgensysteme wie der C-Bogen beeinträchtigen den Arbeitsablauf des Chirurgen. Röntgenquelle und Röntgendetektor rotieren kreisförmig um den Patienten - das braucht viel Platz und würde den freien Zugang zu ihm behindern, wenn der C-Bogen dauerhaft am OP-Tisch installiert wäre. Das Gerät muss deshalb zur Bildaufnahme an den Tisch herangefahren und anschließend wieder weggeschoben werden. Das stört und raubt Zeit, der Arzt muss die Operation unterbrechen.
Forscher am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK arbeiten derzeit an einer Lösung des Problems. Gemeinsam mit der Charité - Universitätsmedizin Berlin und der Ziehm Imaging GmbH entwickeln sie mit »ORBIT« einen 3D-Röntgenscanner, der sich ohne Zeitverlust in den Operationsablauf einfügen lässt.
»Anders als bisherige dreidimensionale Bildgebungsverfahren umschließt ORBIT den Patienten bei der Aufnahme nicht. Es handelt sich um ein offenes System. Da sich die Röntgenquelle kreisförmig oberhalb des OP-Tischs bewegt, sind kurzfristige Bildaufnahmen ohne zeitaufwändige Vorbereitungen möglich«, sagt Prof. Dr.-Ing. Erwin Keeve vom Berliner Zentrum für Mechatronische Medizintechnik, einer Einrichtung des IPK und der Charité.
»Bei einem C-Bogen benötigt man circa 15 Minuten, um das Gerät am Patienten auszurichten, die einzelnen Projektionsbilder aufzunehmen und daraus 3D-Bilddaten zu erzeugen. Mit ORBIT lässt sich der Röntgenscan schneller durchführen und der Operationsverlauf insgesamt beschleunigen. Die Handhabung des Systems ist weniger umständlich. Somit wird die Schwelle, so ein Diagnostiksystem routinemäßig einzusetzen, für Mediziner deutlich gesenkt«, erläutert der Forscher.
Ein weiterer Vorteil des Geräts: Bei C-Bögen kommt es in der Nähe von Implantaten und Schrauben zu Störsignalen. Diese Metallartefakte werden bei Aufnahmen mit ORBIT stark reduziert, denn im Gegensatz zum C-Bogen bewegen sich Röntgenquelle und Detektor nicht in einer Ebene. »Erste Experimente waren erfolgreich«, freut sich Keeve.
Modulares System
ORBIT setzt sich aus drei Modulen zusammen: An einem beweglichen Gelenkarm befindet sich die steuerbare Röntgenquelle. Der schwenkbare Arm kann sowohl an der Decke, als auch auf einem fahrbaren Untersatz montiert sein, wodurch er mobil einsetzbar ist. Die Röntgenscans erfolgen aber in jedem Fall immer von oben. Der digitale Flachbilddetektor ist in den OP-Tisch eingelassen. Ein mobiler oder wahlweise auch an der Wand montierter Monitor zeigt die Röntgenbilder an. Die Forscher haben das System bereits zum Patent angemeldet.
Einen ersten Prototypen konstruieren die Experten derzeit. Schon 2012 starten umfangreiche Testserien. In drei bis fünf Jahren soll das System marktreif sein. Auf der Medica 2011 in Düsseldorf können sich Interessierte erstmals über die Möglichkeiten von ORBIT informieren.
Medica: Halle 10, Stand F05)
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