Gelenkinfektion nach Kreuzband-OP: Effektive Prävention durch neue Therapie
31.07.2024 - Die Häufigkeit von Infektionen nach operativen Eingriffen am vorderen Kreuzband beträgt bis zu 4,4 Prozent. Dr. Christoph Offerhaus, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Sportmediziner am Sana Dreifaltigkeits-Krankenhaus Köln, forscht seit einigen Jahren zur effektiven Prävention dieser Komplikation.
Der Sportmediziner weiß: „Die Folgen einer Infektion sind schwerwiegend. Es kann zum Beispiel zu einer Gelenksteife, Instabilität und frühzeitigem Gelenkverschleiß kommen. Daher ist die wirksame Prävention von Infektionen ein wichtiges Ziel – sowohl für die Patienten als auch aus gesundheitsökonomischer Perspektive. Die Folgekosten für die Behandlung der Komplikationen sind erheblich.“
Antibiotikum direkt aufs Transplantat
Bislang verabreichen Mediziner das Antibiotikum zur Vermeidung einer Infektion in eine der größeren Körpervenen. Dieses Procedere ist für eine wirksame Vermeidung von Infektionen im Gelenk allerdings nicht effektiv genug. Das Forschungsteam um Christoph Offerhaus untersuchte über die letzten Jahre daher eine neue Methode zur Verabreichung des Antibiotikums direkt am Kreuzband-Transplantat. Im Rahmen einer groß angelegten Studie, die der Sportmediziner im Rahmen seiner Tätigkeit an der Sportsclinic Cologne durchführte, beobachteten die Wissenschaftler 1.779 Patientinnen und Patienten mit Ruptur des vorderen Kreuzbandes und deren Genesungsverlauf. Alle Patienten bekamen die herkömmliche intravenöse Antibiotikatherapie. Bei etwa der Hälfte der Teilnehmenden legten die Forschenden das Transplantat zusätzlich in eine Lösung mit dem Antibiotikum Vancomycin ein. Nach sechs Wochen erfolgte die Dokumentation möglicher aufgetretener Infektionen.
Christoph Offerhaus fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen: „In der Gruppe mit dem neuen Verfahren kam es in keinem einzigen Fall zu einer Infektion, in der Kontrollgruppe mit herkömmlicher Therapie erlitten zwei Prozent der Patienten eine Infektion. Die Auswertungen zeigen außerdem, dass die Therapie auch ökonomisch sinnvoll ist. Patienten können also künftig enorm von dieser neuen Methode profitieren, da wir Infektionen viel besser vorbeugen können.“
Weniger erneute Rupturen
Die Forschenden fanden zudem einen interessanten Nebeneffekt: Durch den Einsatz des neuen Verfahrens reduzierte sich langfristig auch die Rate der erneuten Rupturen. In der Gruppe mit der herkömmlichen Therapie waren fast zehn Prozent der Patienten betroffen, in der Gruppe mit der neuen Antibiotikatherapie nur rund drei Prozent. Die in der Fachwelt diskutierte Schwächung des Transplantats durch die direkte Antibiotikatherapie konnte das Team um Christoph Offerhaus damit widerlegen. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse empfehlen auch Fachgesellschaften das neuartige Verfahren mittlerweile. „Die Methode führt nicht nur zu weniger Infektionen, sondern hat auch einen positiven Effekt auf die Rate an erneuten Rupturen“, erklärt der Sportmediziner die Vorteile.
Schleichende Infektionen begünstigen erneute Rupturen
In weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigte sich das Forschungsteam um Christoph Offerhaus mit der Frage nach der Häufigkeit und den Auswirkungen von schleichenden Infektionen, sogenannten Low-Grade-Infektionen, sowie möglichen Infektionswegen. Der Mediziner erklärt: „Low-Grade-Infektionen verursachen häufig keine Probleme oder nur gering ausgeprägte Symptome. Das ist insofern problematisch, als dass Ärzte diese schleichenden Infektionen gar nicht oder nicht rechtzeitig erkennen.“
Die Wissenschaftler untersuchten 389 Gewebeproben – zum einen von Patienten, deren operiertes Kreuzband-Transplantat erneut gerissen war und zum anderen von Betroffenen, die eine primäre vordere Kreuzbandruptur hatten, also noch nicht operiert worden waren. Bei fast zehn Prozent der Patienten mit erneuter Ruptur des ersetzten vorderen Kreuzbandes konnten die Wissenschaftler in den Gewebeproben des Transplantats das Wachstum von Bakterien nachweisen. In der nicht operierten Gruppe war dies nur bei rund drei Prozent der Fall. Möglicherweise können diese stummen, bakteriellen Infekte das Versagen des Transplantats nach einer Operation des vorderen Kreuzbandes begünstigen. Eine besonders hohe Kontamination, das heißt Verunreinigung, zeigte sich bei der Semitendinosus-Sehne – rund 34 Prozent der Proben waren auffällig. Die nachgewiesenen Erreger waren typisch für die Hautflora.
Christoph Offerhaus kommentiert dies wie folgt: „Diese Ergebnisse sind aus meiner Sicht für die weitere Forschung auf diesem Gebiet richtungsweisend, da sie eine weitere mögliche Ursache für ein Versagen von Transplantaten nach vorderem Kreuzbandersatz liefern und damit auch neuen Behandlungsmöglichkeiten den Weg ebnen.“