Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT nimmt neue Gantry in Betrieb
29.10.2012 -
Das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT am Universitätsklinikum Heidelberg hat am 29. Oktober 2012 seine weltweit einmalige Strahlführung (Gantry) feierlich in Betrieb genommen. Mit dem um 360 Grad drehbaren und 25 Meter langen Gerät können Tumoren sehr präzise und effektiv aus jeder Richtung mit Schwerionen oder Protonen bestrahlt werden, auch wenn sie tief im Körperinneren liegen oder von strahlenempfindlichem Gewebe umgeben sind. Am 19. Oktober 2012 wurden die ersten drei Patienten an der Gantry bestrahlt; sie leiden an Hirntumoren.
"Das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT ist eine der weltweit innovativsten Forschungs- und Behandlungsanlagen zur Krebstherapie", erklärte Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan bei der feierlichen Inbetriebnahme der Gantry. "Klinische Studien und Grundlagenforschung werden in den kommenden Jahren wichtige Ergebnisse über die Effektivität der Schwerionen- und Protonenstrahlung bei verschiedenen Tumoren liefern." Die führende Rolle Deutschlands in der Strahlentherapie von Krebspatientinnen und -patienten würde damit hier am Standort Heidelberg weiter ausgebaut.
Die Behandlung im HIT ist Teil des Therapiekonzepts des gemeinsam von Universitätsklinikum und DKFZ betriebenen Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen NCT, jedem Krebskranken eine interdisziplinäre, individuell zugeschnittene Krebstherapie anzubieten. "Durch diese Zusammenarbeit können wir Ergebnisse der Grundlagenforschung in neue Therapiekonzepte umsetzen. Dies gilt auch für die Weiterentwicklung der Strahlentherapie im HIT", sagte Prof. Dr. Guido Adler, Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg.
Bislang wurden rund 1.200 Patienten im HIT behandelt
Das HIT war im November 2009 eröffnet worden. Die drei Therapiebestrahlungsplätze und ein Forschungsbestrahlungsplatz sind seitdem schrittweise in Betrieb gegangen; rund 1.200 Patienten konnten bislang behandelt werden. Die Anlage mit den Dimensionen eines halben Fußballfeldes war zu gleichen Teilen vom Bund und vom Universitätsklinikum Heidelberg mit insgesamt rund 119 Mio. € finanziert worden.
Die drehbare Strahlführung des HIT wurde von den Mitarbeitern des Helmholtz-Zentrums Gesellschaft für Schwerionenforschung GSI entwickelt und von der Firma MT Aerospace gebaut. "Das Universitätsklinikum Heidelberg hat mit Unterstützung der GSI technisches und wissenschaftliches Neuland betreten", erklärte Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg. Sie wies zudem auf den unternehmerischen Mut des Klinikums und die gute Planung hin, die auf einer Kostendeckung des klinischen HIT-Betriebs basiert. "Der klinische Betrieb im HIT läuft sechs Tage pro Woche. Da der einzelne Patient im Durchschnitt etwa zwanzigmal bestrahlt wird, können wir an den drei Bestrahlungsplätzen etwa 750 Patienten pro Jahr behandeln", sagte Irmtraut Gürkan, Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg. "Auf dieses Leistungsvolumen wurden die Kalkulationen für die Vergütungsvereinbarungen zwischenzeitlich angepasst."
Klinische Studien vergleichen Effektivität der unterschiedlichen Ionenstrahlung
Das HIT ist die erste kombinierte Therapieanlage Europas, an der Patienten sowohl mit Protonen als auch mit Schwerionen (Kohlenstoff-, Helium-, Sauerstoff-Ionen) bestrahlt werden können. So sind vergleichende klinische Studien möglich. "Für Tumorerkrankungen, bei denen die herkömmliche Therapie nicht erfolgreich ist, wird in den nächsten Jahren in klinischen Studien untersucht, ob eine Protonen- oder Schwerionen-Bestrahlung bessere Behandlungsergebnisse bringt", erklärte Professor Dr. Dr. Jürgen Debus, Ärztlicher Direktor der Klinik für RadioOnkologie und Strahlentherapie und des HIT. So solle geklärt werden, welche Schwerionen bei den einzelnen Tumorerkrankungen therapeutisch am wirksamsten sind.
Für einige seltene, schwer zu behandelnde Tumorerkrankungen ist die Kohlenstoff-Bestrahlung bereits die Therapie der Wahl; diese Patienten kommen aus ganz Deutschland und dem Ausland zur Behandlung ins HIT. "Von der Ionentherapie im HIT können voraussichtlich rund 15 Prozent der Krebspatienten profitieren, bei denen das Tumorwachstum mit herkömmlicher Therapie nicht gestoppt werden kann", so Prof. Debus.
Die Gantry: Gigantische Stahlkonstruktion mit hoher Präzision
Die Gantry im HIT ist eine gigantische Stahlkonstruktion von 25 Metern Länge, 13 Meter Durchmesser und 670 Tonnen Gewicht. Sie arbeitet sehr präzise: Der Strahl erreicht den Patienten mit bis zu drei Vierteln der Lichtgeschwindigkeit, kann bis zu 30 Zentimeter ins Gewebe eindringen und weicht dennoch höchstens einen Millimeter vom Ziel ab. "In der konventionellen Strahlentherapie mit Photonen sind bewegliche Bestrahlungsquellen schon seit Jahrzehnten sehr erfolgreich im klinischen Einsatz", berichtete Prof. Dr. Thomas Haberer, Wissenschaftlich-technischer Direktor des HIT. Protonen-Gantrys sind international ebenfalls im Einsatz, insbesondere in den USA. Für Schwerionen würden mit der Heidelberger Gantry nun weltweit erstmalig Erfahrungen gesammelt.
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