Mehr digitales Wissensmanagement für Fachleute und Patienten
21.12.2017 -
Im Zeitalter der Digitalisierung muss sich die medizinische Wissenschaft neuen Technologien zur Unterstützung der Generierung, Synthese und Disseminierung von Wissen öffnen.
Dies war kürzlich das Hauptthema der 28. Leitlinienkonferenz der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften). Neben einer Bestandsaufnahme verfügbarer Technologien, wie Leitlinien-Entwicklungsportalen und „Künstlicher Intelligenz“ ging es um neue Informationsformate, mit deren Hilfe Leitlinienwissen Patienten und Behandelnde besser erreichen soll. Die AWMF fordert dazu von der Politik Unterstützung in Form einer Agenda für Digital Science in der Medizin.
Das Ziel von Leitlinien ist es, die Qualität der medizinischen Versorgung durch Wissensvermittlung zu verbessern. Sie sind wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen für die medizinische Behandlung. „Ohne Leitlinien ist eine fundierte ärztliche Behandlung heutzutage fast nicht mehr denkbar. Allerdings müssen Leitlinien sich im Zeitalter der Digitalisierung weiter entwickeln, wenn sie auch zukünftig eine wesentliche Rolle in der Wissensvermittlung für eine evidenzbasierte und individualisierte Gesundheitsversorgung einnehmen wollen. Wir benötigen dazu eine digitale Agenda“, sagt Prof. Dr. Claudia Spies, Vorsitzende der AWMF-Leitlinienkommission.
Neue technologische Möglichkeiten
Die AWMF hat vor diesem Hintergrund die technologischen Möglichkeiten, die bei der Leitlinienerstellung und für eine Neuausrichtung der Wissensvermittlung hilfreich sein können, gesichtet und auf der 28. Leitlinienkonferenz vorgestellt. Dazu gehören Leitlinien-Entwicklungsportale, also Internet-Plattformen die von dem Aufsetzen des Leitlinienprojektes über die Literaturrecherche und -bewertung bis hin zur Fertigstellung und Disseminierung den Workflow begleiten. In diesem Zusammenhang wurden auch Nutzungsmöglichkeiten lernender Maschinen („Künstliche Intelligenz“) adressiert, z.B. zur Unterstützung der Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus klinischen Studien. Zukunftsweisende Praxisbeispiele wurden durch namhafte internationale Referenten präsentiert (Prof. H. Schünemann, Inhaber des Lehrstuhls für Klinische Epidemiologie an der McMaster University und C. Mavergames, Leiter des Bereichs Informatik und Wissensmanagement bei Cochrane).
Prof. Dr. Ina Kopp vom AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement in Marburg erklärt: „Wir werden im nächsten Schritt bei den Fachgesellschaften die Bedarfe abfragen, um eine moderne Strategie zur Synthese und Vermittlung von Wissen unter Nutzung digitaler Lösungen zu entwickeln.“
Dazu gehört auch die Frage, wie neues Wissen Patienten und Bürger erreicht. Neue Formate sind aus der Sicht der AWMF-Expertinnen nötig. „Patienten möchten heute in Behandlungsentscheidungen und Management ihrer Erkrankung zunehmend selbst aktiv werden. Das Wissen, das sie dazu benötigen, muss digital verfügbar und natürlich auch fundiert sein, also auf den Kriterien der Evidenz basierten Medizin fußen“, so Kopp. Kurzinformationen für Patienten, laienverständliche Versionen von Leitlinien oder Entscheidungshilfen– diese Formate gebe es bereits, sie müssten aber besser digital verbreitet werden, so die Expertin.
Neue Rollen der Akteure
Inwieweit sich durch die neuen Technologien auch die Rolle der Akteure in den Gesundheitsberufen verändert, ist noch eine offene Frage. „Mehr Zeit für das Gespräch, mehr Zeit dafür, Patienten individuell zu beraten und zu betreuen – das könnte der Anfang einer Rückbesinnung auf die Rolle des Arztes sein, der gerade im digitalen Zeitalter unverzichtbar und durch Technologie nicht ersetzbar ist“, sagt Kopp. In einer Zeit der zunehmenden Ökonomisierung in der Medizin und einem Rückgang der „Sprechenden Medizin“ ist das ein klarer Appell.
Von der Politik wünscht sich die AWMF mehr Unterstützung in Fragen digitaler Transformationsprozesse. „Wir fordern vom Gesetzgeber, eine digitale Agenda der Medizin – Digital Science – zu fördern und zu unterstützen“, so Spies.
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Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften