Molekulare Diagnostik von Krankenhausinfektionen
08.03.2017 -
Die Vermeidung von Infektionen gehört zu den wichtigsten Zielen im Rahmen der Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.
Welche Rolle die molekulare Diagnostik von Krankenhausinfektionen, z.B. durch antibiotikaresistente Keime wie Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA), spielt und wodurch ein besseres Patientenmanagement geschaffen werden kann, erklärt Dr. Oliver Liesenfeld, Chief Medical Officer von Roche Molecular Systems, Pleasanton im Interview. Darüber hinaus gibt er Einblicke, wie Kliniken mehr Flexibilität innerhalb der PCR-Diagnostik mit dem cobas Liat System erhalten können.
Nosokomiale Infektionen durch multiresistente Erreger sind ein weltweites Thema. Was kann die Diagnostik leisten, um dieses Problem einzudämmen?
Dr. Oliver Liesenfeld: Für den Nachweis multiresistenter Erreger brauchen wir eine schnelle und sensitive Diagnostik. Hier eignet sich die Anzucht der Bakterien auf Nährböden und eine anschließende Erreger-Identifikation und Resistenzbestimmung durch biochemische Verfahren. Dieses Verfahren ist sehr zuverlässig, hat jedoch den Nachteil, dass bis zu 72 Stunden vergehen können, ehe ein Ergebnis vorliegt. Schnellere Kulturverfahren auf so genannten „Chromogenen Kulturmedien“ ermöglichen Anzucht und MRSA-Nachweis in einem Schritt und zeigen immerhin nach 24 Stunden ein Ergebnis an. Allerdings ist die Sensitivität, also die Nachweissicherheit dieser Verfahren, deutlich niedriger. Moderne molekulare Methoden arbeiten viel schneller. Die derzeit schnellste Methode für den MRSA-Nachweis ist die „Real Time-PCR“. Dabei wird ein molekularbiologisches Verfahren, die „Polymerasekettenreaktion“ (PCR) zur Vervielfältigung von DNA, genutzt, um gezielt diejenigen Gene aufzuspüren, die den Bakterien zur Resistenz verhelfen. Mit der PCR ist ein Ergebnis bereits zwei Stunden nach dem Abstrich, mit dem cobas Liat sogar schon nach maximal 30 Minuten, möglich. Damit lässt sich der Patient schnell und zielgerichtet behandeln, bzw. im Falle von hochansteckenden Erregern auch schnell isolieren. Vor dem Hintergrund steigender Antibiotikaresistenzen ist eine rationale Antiinfektivaverordnung unabdingbar. Mit der entsprechenden Diagnostik können wir hier einen maßgeblichen Beitrag leisten.
Worauf kommt es dabei an?
Liesenfeld: Die gefährlichen Keime rasch nachzuweisen, ist im Falle einer Infektion von unmittelbarem Nutzen für den betroffenen Patienten: Er kann frühzeitig und gezielt behandelt werden. Um die Ausbreitung resistenter Keime durch effiziente Hygienemaßnahmen zu reduzieren, ist außerdem die schnelle Identifizierung asymptomatischer MRSA-Träger von großem Vorteil. Damit der Arzt eine Antibiotikagabe verifiziert begründen kann, muss er den zum Teil schwerkranken Patienten daher zeitnah diagnostizieren und den Erreger-Typ bestimmen können. Hier bedarf es einer schnellen und sensitiven Diagnostik. Im Idealfall liegt dem Arzt das Ergebnis nach wenigen Minuten und mit einer hohen Sensitivität vor.
Wie entwickelt Roche Diagnostics die Systeme aktuell weiter?
Liesenfeld: Nosokomiale Infektionen durch multiresistente Erreger sind ein großes Problem. Zentraler Ausgangspunkt bleibt der hohe Stellenwert des Screenings nach mehrfachresistenten Erregern, den wir frühzeitig erkannt haben. Uns ist es ein Anliegen mit unserem aktuellen und zukünftigen Portfolio Lösungen für ein flexibles Hygienemanagement zu gewährleisten. Daher bieten wir automatisierte, molekulare Nachweismethoden von mikrobiologisch und krankenhaushygienisch relevanten Erregern wie MRSA/SA und C.diff für kleines, mittleres und hohes Probenaufkommen mit dem cobas 4800 System und dem cobas Liat System an. Wir wissen, dass viele Krankenhäuser mit einem einzelnen großen Gerät im Labor nicht auskommen und sich auch auf der Station, bzw. in der Aufnahme ein handliches Gerät wünschen, um schnell Entscheidungen treffen zu können. Das cobas Liat System erleichtert da die Diagnose von Infektionskrankheiten. Innerhalb kurzer Zeit kann das Labor Einzelproben auch außerhalb der normalen Betriebszeiten und in Außenstellen wie dem Notfalllabor bearbeiten. Das ermöglicht Ärzten schnelle Therapieentscheidungen zu treffen und eine mögliche Behandlung zeitnah einzuleiten.
Wie funktioniert die hochkomplexe PCR-Technologie in einem so kleinen Gerät?
Liesenfeld: Im Prinzip funktioniert die Technologie wie bei einem Großgerät. Kernstück des cobas Liat Systems ist ein Assay-Tube, das die erforderlichen Reagenzien bereits in kleinen Kammern vorhält, die hintereinandergeschaltet sind und von der Einzelprobe durchlaufen werden. Das Assay-Tube besteht aus einem dünnen Plastikmaterial, welches die Temperatur auf die entsprechenden PCR-Zyklen übertragen kann. Im Gerät wird die Reaktionsmischung automatisch im Reagenzschlauch auf und ab bewegt und so zu den heißen und kalten Temperaturzonen befördert, die für die Denaturierung der DNA und PCR-Amplifikation benötigt werden – dies ist das Prinzip, mit dem die Real Time-PCR auf kleinstem Raum funktioniert und vergleichbar gute Ergebnisse liefert, wie dies bei einem großen Gerät der Fall ist.
Welche Erreger spürt das cobas Liat System auf?
Liesenfeld: Wir haben den Fokus zu Beginn auf Respirations-Krankheiten gelegt. Das Test-Portfolio umfasst aktuell die Parameter Influenza A/B, Influenza A/B + RSV, Strep A sowie C.difficile. MRSA/SA wird ab Mitte des Jahres verfügbar sein. HIV qual. ist aktuell in der Entwicklung.
Was bedeutet das für ein Krankenhaus?
Liesenfeld: Für ein effizientes Screening auf multiresistente Erreger kommt dem Faktor Zeit eine zentrale Bedeutung zu: Ohne Schnelligkeit sowie die hohe Sensitivität von Testverfahren lässt sich die Zielvorgabe einer möglichst raschen Befundermittlung und rechtzeitigen Ergreifung von Hygienemaßnahmen für Risikopersonen nicht einhalten. Klassischerweise läuft dies im Labor ab. Wir haben aber bereits die Erfahrung gemacht, dass der Nachweis auf multiresistente Keime auch bei der Aufnahme der Patienten wichtig sein kann und somit eine hohe Relevanz für das Hygienemanagement des Krankenhauses hat. Hier planen wir aktuell eine Studie mit einer großen Klinik in Deutschland. Anhand dieser Studie wollen wir ermitteln, wie sich der Einsatz des cobas Liat Systems an der Aufnahmestation auf das Hygienemanagement in der Klinik auswirkt.
Was sind da die Vorteile für die Patienten?
Liesenfeld: Egal, um welche Infektion es geht, für den Patienten ist es essentiell, dass er schnell diagnostiziert und somit behandelt wird. Um Epidemien zu vermeiden, müssen betroffene Patienten zudem rasch isoliert werden, daher sollten die Erreger auch präzise identifiziert werden können. Eine schnelle und genaue Diagnostik sorgt also für eine bessere Therapie und gezielte Hygienemaßnahmen.
Experten sehen in der PCR-Technologie am Point-of-Care einen Zukunftstrend. Wie steht Roche Diagnostics dazu?
Liesenfeld: Das ist ein Trend, den wir genauso sehen. Es gibt eine Vielzahl von Studien, die bestätigen, dass die PCR deutlich sensitiver ist. Wir möchten Ärzten und Patienten ein Portfolio zur Verfügung stellen, damit schnelle Entscheidungen getroffen werden können. Mit einer Lösung, die patientennah eingesetzt werden kann, bieten wir ein System, das leicht zu bedienen ist und schnell sichere Testergebnisse liefert. Den Trend, PCR auch außerhalb des Labors zum Einsatz kommen zu lassen, können wir damit unterstützen.