Aus den Kliniken

Nasenknorpel lindert Arthrose im Knie

02.09.2021 - Knorpelzellen aus der Nasenscheidewand können nicht nur Knorpelschäden im Knie reparieren helfen. Sie können auch der chronisch entzündlichen Gewebeumgebung bei Arthrose standhalten und der Entzündung sogar entgegenwirken, wie Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel berichten.

Ein Forschungsteam am Departement Biomedizin der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel züchtet Knorpelgewebe aus Zellen der Nasenscheidewand, um Gelenkknorpel im Knie zu reparieren. Bereits gelungen ist ihnen dies im Rahmen erster klinischer Studien bei isolierten Knorpelschäden. Nun berichtet das Team um Prof. Dr. Ivan Martin und Prof. Dr. Andrea Barbero, dass sich der Ansatz auch bei degenerativen Gelenkserkrankungen wie Arthrose eignen könnte. Ihre Ergebnisse sind im Fachjournal Science Translational Medicine erschienen.

Arthrose zeichnet sich durch Knorpelabbau aus, wodurch es zu starken Schmerzen bei Bewegungen kommen kann. Die bisherige Therapie bestand darin, die Entzündung und die Schmerzen zu behandeln, bis eine Kniegelenksprothese unausweichlich wird. Gelenkprothesen haben jedoch eine beschränkte Haltbarkeit, was insbesondere bei jüngeren Patienten mehrfache Operationen nötig macht.

Von der Nase ins Knie

Eine mögliche Alternative könnte die Reparatur des Gelenkknorpels mithilfe von gezüchtetem Knorpelgewebe sein. Hierfür entnimmt das Forschungsteam in Zusammenarbeit mit orthopädischen und plastischen Chirurginnen und Chirurgen des Universitätsspitals Basel eine Gewebeprobe aus der Nasenscheidewand des jeweiligen Patienten, kultiviert die darin enthaltenen Knorpelzellen und züchtet daraus eine Knorpelschicht, die anschließend chirurgisch ins Kniegelenk eingesetzt wird.

Anders als beispielsweise bei Sportverletzungen ist die Gewebeumgebung im Knie bei Arthrose von anhaltenden Entzündungsreaktionen geprägt. „Wir mussten zuerst testen, ob der Knorpelersatz durch die Entzündungsfaktoren angegriffen und degeneriert wird“, erklärt Ivan Martin.

Die Forschenden um Prof. Martins Doktorandin Lina Acevedo Rua, die Projektleiterin Dr. Karoliina Pelttari und den orthopädischen Chirurgen PD Dr. Marcus Mumme testeten zunächst das gezüchtete menschliche Knorpelgewebe in Anwesenheit von Entzündungsfaktoren. Dafür nutzten sie verschiedene Zellkultur-Modelle im Labor und kleine Versuchstieren. Anschließend prüften sie die Haltbarkeit des Knorpelgewebes auch bei gleichzeitiger entzündlicher und mechanischer Belastung. Hierfür setzten sie Knorpelzellen aus der Nase von Schafen im arthrotischen Kniegelenk derselben Tiere ein.

Knorpelzellen mit antientzündlichen Eigenschaften

Die Ergebnisse der Tierversuche waren vielversprechend: Nicht nur erwies sich das Gewebe aus Nasenknorpelzellen als sehr robust, es schien auch den Entzündungsreaktionen entgegenzuwirken. Weitere Analysen ergaben, dass dieser Effekt vor allem darauf zurückzuführen ist, dass ein bei Arthrose chronisch überaktivierter molekularer Signalweg (der sogenannte WNT-Signalweg) durch die Anwesenheit der Nasenknorpelzellen gebremst wurde.

Die erstaunlichen Eigenschaften des Nasenknorpels erklärt Prof. Martin so: «Diese Knorpelzellen stammen – anders als die Knorpelgewebe der Gelenke – von Vorläuferzellen aus einem spezialisierten Embryonalgewebe, dem Neuroektoderm, ab und zeichnen sich daher durch eine hohe Regenerations- und Anpassungsfähigkeit aus. Auch aus Nasenknorpelzellen gezüchtetes Gewebe könnte diese speziellen Eigenschaften aufweisen.»

Nach den erfolgreichen Versuchen an Tieren prüften die Forschenden den Ansatz auch an zwei jungen Patienten, die aufgrund einer Fehlstellung der Beinknochen an schwerer Arthrose litten. Der nächste Schritt in ihrer Behandlung wäre sonst eine Kniegelenkprothese gewesen.

Weniger Schmerzen, erholtes Gelenk

Nach Einsetzen des Ersatzknorpels, den die Forschenden aus patienteneigenen Nasenknorpelzellen gezüchtet hatten, berichteten die beiden Probanden von einer Reduktion der Schmerzen und erhöhter Lebensqualität. Bei einem der beiden Patienten konnten die Forschenden zudem mit MRT-Aufnahmen feststellen, dass die Knochen im Kniegelenk wieder einen größeren Abstand zueinander aufwiesen als zuvor – ein Hinweis auf eine Erholung des Gelenks. Beim zweiten Patienten konnten sie aufgrund der Reisebeschränkungen während der Pandemie keine MRT-Aufnahmen anfertigen und konnten ihn nur zu seinen subjektiven Eindrücken befragen.

Da zudem die Fehlstellung der Knochen bei beiden Patienten chirurgisch korrigiert und damit die wahrscheinlichste Ursache ihrer Arthrose behoben werden konnte, sind die Forschenden zuversichtlich, dass sie noch längere Zeit ohne Kniegelenksprothese auskommen werden.

„Wir haben mit unseren Ergebnissen die biologische Basis für eine Therapie gelegt und sind vorsichtig optimistisch“, so Martin. Nun müsse sich der Ansatz zunächst zur Behandlung der Patellofemoralen Arthrose in vertieften klinischen Studien beweisen, wofür das Team finanzielle Unterstützung im Rahmen eines Innovationsfokus des Universitätsspitals Basel erhält. Zudem wollen die Forschenden die Methode zukünftig auch für weitere Arten von Arthrose weiterentwickeln, um ein breiteres Spektrum an Patientinnen und Patienten behandeln zu können.

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