Optimierte Arbeitsabläufe und neue Funktionen
22.03.2024 - Philips erweitert die bildgesteuerte Therapieplattform Azurion um ein neuro-biplanares System.
Das Angiographiesystem wurde entwickelt, um neurovaskuläre Interventionen maßgeblich zu verbessern. Über die neuen Funktionen und die möglichen Anwendungsgebiete berichtet Fryderyk Czajkowski, Business Manager für Image Guided Therapy Systems bei Philips DACH.
M&K: In welchen Anwendungsbereichen kann man das neue System einsetzen und was sind die besonderen Kennzeichen des Systems?
Fryderyk Czajkowski: Das Gerät konzentriert sich auf die Anwendergruppe der Interventionellen Neuroradiologen mit dem klinischen Schwerpunkt der Schlaganfallbehandlung. Es zeichnet sich durch zwei Dinge aus. Das eine ist die komplett neue Geometrie des Systems. Das bedeutet, dass wir die Flexibilität der Positionierung erweitert haben. Das hat zur Folge, dass die Anwender noch mehr Spielraum haben in der Interaktion mit der Anästhesie, um einen besseren Zugang zum Kopf des Patienten zu erlangen oder einfacher und effizienter 3D-Akquisitionen zu machen. Alles zielt darauf ab, den Arbeitsablauf zu vereinfachen und die Unabhängigkeit des Anwenders am Tisch zu erhöhen. Das ist insbesondere in Notfallsituationen oder auch bei wechselndem Personal ein großer Vorteil.
Apropos Personal: Aufgrund von fehlendem Fachpersonal werden immer häufiger nicht mehr speziell ausgebildete Fachkräfte, sondern zur Unterstützung trainierte Personen für die Gerätebedienung eingesetzt. Ist das für das Neuro-Angiographiesystem auch vorgesehen?
Czajkowski: Das ist so nicht explizit vorgesehen. Es ist natürlich immer noch erforderlich, die Fachkenntnisse zu haben, wie man sich in so einem spezialisierten und sensiblen Umfeld zu verhalten hat. Was einen derartigen Einsatz durchaus ermöglichen würde, ist die Tatsache, dass die Erlernbarkeit der Bedienung äußert intuitiv ist und sehr schnell geht. Wir sehen heute sehr oft die Herausforderung von wechselndem oder mangelndem Personal, sei es im Kontrollraum, sei es in der Vorbereitung oder Nachbereitung des Patienten. Hier ist die Lernkurve extrem steil und ermöglicht ein schnelles Erlernen der Gerätebedienung. Dies ist möglich, weil wir einen starken Fokus auf intuitive Bedienung und auch gleichzeitig auf ein hohes Maß an Individualisierbarkeit des Systems gelegt haben. Heißt, jeder kann es für sich so einrichten und benutzen, wie es für ihn oder für sie dann relevant und am einfachsten ist. Das ermöglicht wenig zusätzliche Kommunikation zwischen Arzt und Personal, sowie eine schnelle Vorbereitung des Patienten und auch eine Standardisierung des Ablaufes. Und das dient am Ende auch der Qualität der Behandlung und der Reduktion verschiedener Risiken
Wie viele Geräte von diesem Angiographiesystem sind bereits im Einsatz?
Czajkowski: Von dieser neuen Generation, die wir hier auf dem ECR erstmalig vorstellen, sind noch keine Geräte installiert. Die erste Installation in Deutschland ist aber für dieses Jahr geplant.
Wie langedauert ein Trainingsablauf, wenn so ein neues Gerät installiert wird?
Czajkowski: In der Regel haben wir eine Ersteinweisung nach Installation, was eine theoretische Einweisung umfasst und eine praktische Einweisung im Patientenbetrieb. Nach einigen Monaten im Live-Betrieb kommen wir dann noch einmal zu einer Nachschulung. Dabei gehen wir individuell auf Fragen oder Erfahrungswerte ein. Bedarfsweise kann das dann noch weitergeführt werden, aber das ist der Standardablauf. Die Erstinstallation, hier in Deutschland begleiten wir natürlich besonders eng, um Feedback aus erster Hand zu bekommen und um die Erfahrungswerte auf unserer Seite aufzubauen und so einen engen Schulterschluss mit dem Erstanwender zu haben.
Aber prinzipiell getestet ist das System doch bereits?
Czajkowski: Ja, absolut. Es ist vollständig zugelassen, denn das System basiert auf der Azurion Plattform, die bereits in der dritten Generation diesen Stand erreicht hat. Aber alles, was sich in den letzten Jahren dort entwickelt hat, wie die Bedienphilosophie, Integration von externen Quellen, also Bild und Videoquellen, und die Erfahrungswerte der vorangegangen Generationen sind auch in dieser neuen Version berücksichtigt. Sie bilden die Grundlage für diese Weiterentwicklung, die wir hier vorstellen. Es ist also eine Kombination aus bewährten Funktionalitäten und den Innovationen, die ich eingangs erwähnte.
Können Sie bitte etwas genauer erklären, wodurch Sie die Effizienz und Flexibilität der Anwendung verbessern, welche Faktoren sind das?
Czajkowski: Ja, das umfasst zwei wesentliche Aspekte: Zum einen kann die Geometrie des Systems schneller bewegt werden und zum anderen wurde das Bewegungsspektrum erweitert. Das ermöglicht noch mehr Flexibilität, z.B. eine schnellere Akquisitionen von 3D-Aufnahmen.
Warum ist das wichtig?
Czajkowski: Im Bereich von Schlaganfallinterventionen ist eine dreidimensionale Bildgebung von Vorteil, um das Volumen vom Kopf komplett aufzunehmen. Und auch dabei ist der Zeitfaktor entscheidend, um effizient diagnostizieren und therapieren zu können. Genau das ermöglichen wir mit diesen schnelleren Bewegungen. Hinzu kommt, dass die verbesserten Rotationsgeschwindigkeiten es ermöglichen, die Bildqualität noch weiter zu erhöhen und damit auch die Diagnosemöglichkeiten verbessern. Der andere Aspekt ist die schnelle Interpretation und Bearbeitung der Bilder, die sich an einem zentralen Touchscreen Modul am Tisch machen lassen. Dort werden die Bilder komplett skaliert auf dem großen Monitor dargestellt und das kann komplett individualisiert erfolgen. Jeder kann es sich so einstellen, wie es für ihn oder für sie optimal ist. In Summe ermöglicht das mehr Flexibilität und einen schnelleren Arbeitsablauf.
Sie haben eben die Rotationsgeschwindigkeit erwähnt. Wofür ist die wichtig? Können Sie dies an einem klinischen Beispiel kurz erläutern?
Czajkowski: Im Falle von Schlaganfall Interventionen ist die 3D-Bildgebung des Kopfes wichtig, um die Gefäße auch komplett dreidimensional darstellen zu können. Das lässt sich nun mit einer höheren Bildqualität durchführen. Aktuell wird in einer multizentrischen Studie untersucht, ob die Diagnostik so ausreichend ist, dass man eine CT-Diagnostik unter bestimmten Umständen auch auslassen kann. Das Ergebnis ist noch offen. Aber die Bildqualität hat einen Stand erreicht, dass man zumindest Blutungen schon sehr gut ausschließen kann.
Die behandelnden Ärzte können mit dem neuen System also schneller und effektiver reagieren, wovon dann natürlich auch die Patienten profitieren. Gibt es für die Patienten noch andere Aspekte, die eine Rolle spielen?
Czajkowski: Ein wesentlicher Aspekt ist natürlich immer das Thema Dosis und die Strahlenexposition, sowohl für den Anwender aber auch natürlich für den Patienten. Durch die einfache und schnelle Bildbearbeitung ist es möglich, Dosis einzusparen. Ein Beispiel: die Jegliche 3D-Bilddaten werden automatisch nachverarbeitet und auf dem Touch Screen Modul zur Verfügung gestellt. Die Notwendigkeit Aufnahmen zu wiederholen, wird so maßgeblich reduziert. Auch erhöht das die Diagnosesicherheit und die reduziert potentiell auch die Strahlendosis. Beides kommt so dem Patienten zugute.
Künstliche Intelligenz (KI) wird an immer mehr Stellen eingesetzt. Wieviel KI ist in dem System integriert?
Czajkowski: KI ist bei uns bereits in vielen Softwarefunktionen integriert. Das sind z.B. Roadmapping Funktionalitäten, wo ein Gefäßbaum entsprechend in eine Roadmap übersetzt wird. Darüber hinaus wird pixelbasierte KI im Bereich der Bildverarbeitung genutzt. Hier finden zahlreiche Entwicklungen statt, die in den kommenden Gerätegenerationen Verwendung finden werden.
Was erwarten Sie für die Zukunft der Radiologie?
Czajkowski: Philips hat in den letzten Jahren neben der Marktführerschaft in der interventionellen Kardiologie einen weiteren Schwerpunkt auf die Neuroradiologie gelegt. Zurzeit werden z.B. Robotik-Lösungen geprüft, die in der interventionellen Neuroradiologie ein großes Potential bieten. Es ist in Zukunft in diesem Bereich von Philips noch sehr viel zu erwarten.
Zur Person
Fryderyk Czajkowski ist bei Philips seit 2020 für den Bereich der interventionellen Bildgebungssysteme verantwortlich. Das umfasst stationäre Lösungen für die angiographische Bildgebung sowie mobile C-Bögen. Im Mittelpunkt dieses Bereich stehen neben den die diagnostischen Lösungen die kontinuierliche Integration von therapeutischen Devices, um den gesamten Workflow effizienter gestalten zu können.
Autor: Dr. Jutta Jessen, Weinheim