Prozessoptimierung wirksam mit System
14.10.2020 - Die effiziente Ausrichtung trägt zur Zukunftssicherung jeder Klinik bei. Ziele: Kompetenz sicherstellen, Prozesse effektiv und effizient managen.
Vor einem Eingriff muss ein Patient in der Klinik viele Stationen durchlaufen: Verschiedene Laboruntersuchungen, bilddiagnostische Maßnahmen und Aufklärungsgespräche sind notwendig. Hier offenbart sich den Betroffenen schnell, ob die internen Abläufe gut aufeinander abgestimmt sind. Dementsprechend fühlen sie sich gut oder schlecht aufgehoben, empfehlen eine Klinik weiter oder nicht. Unter Prozessoptimierung wird eine Strategie verstanden, die vorhandene Arbeitsabläufe auf Ineffizienzen hin überprüft und eine SOLL-Vorgabe entwirft und umsetzt, die zu mehr Qualität und einem optimierten Ressourceneinsatz führt. Doch simpel können Anforderungen nicht umgesetzt werden.
Die lückenlose Dokumentation, zeitnahe Abrechnung und ein suffizientes MDK-Management sind ständige Herausforderungen. In vielen Krankenhäusern sind die Prozesse kompliziert und in die Jahre gekommen. Die Nachverfolgbarkeit aller Einträge im System und deren Fälschungssicherheit macht beispielsweise die Blockchain-Technologie besonders attraktiv für die Protokollierung von Daten. Sie erlaubt einen sicheren, dezentralen und transparenten Daten- oder Werteaustausch zwischen den zahlreichen Nutzern. Das Aufzeichnen von Tätigkeiten spielt eine große Rolle im Arbeitsalltag von Ärzten. Dazu gehört auch die Kodierung von Patientenfällen, also das Erfassen von ICD-10-Kodes für Erkrankungen und OPS-Kodes für erbrachte Leistungen. Eine vollständige und zeitnahe Dokumentation und Kodierung sind unverzichtbar. Einerseits sind sie Voraussetzung für eine ordnungsgemäße und rechtzeitige Abrechnung und tragen so zur Liquidität eines Krankenhauses bei. Andererseits sind sie wichtig im Fall nachträglicher Rechnungsprüfungen der Kostenträger und Begutachtungen des MDK. Die Einsatzmöglichkeiten für Prozessoptimierung sind beeindruckend. Mittlerweile können 50 bis 70% aller Prozesse automatisiert werden.
Dokumentation muss funktionieren
Wichtig ist, dass die Verantwortlichen aus den verschiedenen Bereichen gemeinsam die Abläufe analysieren. Nur wenn allen Beteiligten die einzelnen Prozesse klar sind, können sie auch optimal aufeinander abgestimmt werden. Patientendaten werden meist zentral erfasst und sind für alle jederzeit verfügbar. Vermeidbare Eingriffe, unnötige Doppeluntersuchungen, irrationale Mehrfachmedikation oder mangelnde Koordination der ambulanten und stationären Versorgung sind gefährliche Realität, teuer und oft verlustreich. Krankenhäuser rechnen erbrachte Leistungen am Patienten z.B. in Form von Fallpauschalen oder PEPP-Entgelten ab, die sich aus einer Kombination von ICD-10- und OPS-Kodes ergeben. Wie die verschiedenen Kodes zu verwenden sind, ist in den Deutschen Kodierrichtlinien geregelt. Sie besagen auch, dass das Auflisten der Diagnosen und Prozeduren in der Verantwortung des behandelnden Arztes liegt. Basis für die Kodierung ist die Patientenakte. Häufig übernehmen allerdings Kodierfachkräfte die Kodierung. Bei medizinisch-inhaltlichen Fragen werden sie sich mit den behandelnden Ärzten austauschen. Üblicherweise schließt der verantwortliche Arzt die Kodierung des Behandlungsfalles ab, indem er den Fall im Krankenhausinformationssystem (KIS) signiert. Gegebenenfalls prüft das Medizincontrolling die kodierten Fälle im Anschluss und leitet sie dann an die Abrechnungsabteilung weiter, die die Rechnungen an die Kostenträger stellt.
Kompliziert wird es, wenn eine noch nicht abgeschlossene und lückenhafte Dokumentation die zeitnahe und ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung verzögert. Das ist der Fall, wenn z.B. ein Entlassungsbrief oder OP-Bericht noch nicht abschließend erstellt ist. Sind mehrere Personen- und Berufsgruppen am Aktenlauf beteiligt und wird ein Teil der Dokumentation noch in Papierform und nicht IT-gestützt erstellt, sind die für die Kodierung benötigten Dokumente gegebenenfalls nur eingeschränkt verfügbar. Liquiditätseffekte entstehen genau dann, wenn eine verzögerte Abrechnung nicht auf Einzelfälle beschränkt bleibt, sondern die Regel ist. Kommt es zu nachträglichen Rechnungsprüfungen, ist es für einige Krankenhäuser ein Problem, die Unterlagen fristgerecht bereitzustellen, wie dies die entsprechende Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) fordert. Ursachen können sein, dass Patientenakten noch in Bearbeitungs- oder Digitalisierungsprozessen stecken und somit nicht unmittelbar verfügbar sind. Folge einer nicht fristgerechten Bereitstellung der Unterlagen kann sein, dass Fälle bereits ohne inhaltliche Begutachtung des MDK verloren gehen, da die Krankenhäuser der Prüfverfahrensvereinbarung im Einzelfall keinen Anspruch auf den strittigen Rechnungsbetrag haben. Insbesondere bei Vollprüfungen entsteht dem Krankenhaus so ein erheblicher Erlösverlust. Darüber hinaus müssen die Fälle auch einer inhaltlichen Begutachtung des MDK standhalten. Die erfassten Diagnosen und Leistungen müssen den Behandlungsverlauf widerspiegeln und durch die Dokumentation in der Patientenakte belegt sein. Sonst drohen ebenfalls Rechnungsminderungen.
Finanzrisiko reduzieren
In einem Krankenhaus sind die Strukturen und Prozesse der Dokumentation, des Aktenlaufs, der Kodierung und Abrechnung sowie des MDK-Managements häufig komplex und historisch gewachsen. Langwierige und unvollständige Abläufe kennzeichnen oft den Prozess des Aktenlaufs, was auch andere Bereiche des Krankenhauses negativ beeinflussen kann. Gründe dafür sind Medienbrüche und Schnittstellen zwischen verschiedenen Organisationseinheiten. Es gibt jedoch verschiedene Ansätze, die damit verbundenen finanziellen Risiken zu minimieren und einer hohen Ressourcenbindung bei Ärzten und in der Verwaltung entgegenzuwirken. Für die Dokumentation und den Aktenlauf sollten die Verantwortlichen z.B. die Zuständigkeit für das Führen und den Abschluss der Akte festlegen. Außerdem ist abzustimmen, wer, was und wo in der Papierakte oder digital im KIS dokumentiert. Dabei sollte der verantwortliche Personenkreis auch den Zeitpunkt für das Fertigstellen der Dokumentation, z.B. für den Entlassungsbrief oder die Kodierung, und einen festen Ablauf der Archivierung vereinbaren. Sinnvoll ist, MDK-Fälle mit einer angepassten Softwarelösung übersichtlich zu verwalten und zu überwachen. Für die Beurteilung des Patientennutzens ist es notwendig, auch die relevanten Behandlungskosten zu kennen. Die systematische Erfassung der Behandlungskosten auf Ebene von Krankheitsbildern ist zumindest in einigen hochspezialisierten Fachkliniken üblich. Die finanziellen Ressourcen im Gesundheitswesen sind begrenzt. Die Auswirkungen des digitalen Sektors werden in der Zukunft heftig sein und viele Akteure unerwartet treffen. Beispielsweise werden ärztliche Leistungen durch digitale und arztfreie Leistungen substituiert. Ein weiterer Effekt wird ein radikaler Preisverfall sein. Der dritte zentrale Effekt ist die Steuerung der Patienten im Versorgungsprozess. Ebenso wie bei der Betrachtung der Ergebnisqualität müssen alle anfallenden Kosten über den gesamten Behandlungsverlauf des Krankheitsbildes erfasst werden. Im Idealfall werden für jeden Patienten sowohl die Krankheitsbild-spezifischen medizinischen Ergebnisse als auch die Kosten der gesamten Behandlung erfasst. Das ist gerade wegen der Trennung des ambulanten und stationären, des akutmedizinischen und des rehabilitativen Sektors oft schwierig. Prozessoptimierung liefert auch Chancen: Die standardisierte Messung der Ergebnisqualität (nach Standards des International Consortium for Health Outcomes Measurement – ICHOM) ist mithilfe digitaler Erfassungstools deutlich einfacher geworden. Gelebtes Prozessmanagement kann die Zukunft eines Krankenhauses festigen, wenn die Verantwortlichen frühzeitig Maßnahmen ergreifen, die sich auch an den individuellen Bedürfnissen aller beteiligten Mitarbeiter und betroffener Patienten orientiert.
Autor: Hans-Otto von Wietersheim, Bretten