Gesundheitspolitik

Verband der Universitätsklinika kritisiert Entwurf für Versorgungsgesetz

29.06.2011 -

Der Verband der Universitätsklinika sieht zentrale Fragen im Gesetzentwurf zur „Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)" ausgeklammert. Der Gesetzentwurf wird heute in einer Anhörung in Berlin beraten.

Rüdiger Strehl, Generalsekretär des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) erklärt dazu: „Das Versorgungsgesetz wird für die Hochschulmedizin wenig ändern. Die Chance, die Versorgungsstrukturen an die Veränderungen in Gesellschaft und Medizin anzupassen, wird nicht genutzt. Große Probleme bleiben entweder völlig unbearbeitet oder werden nicht konsequent genug angegangen.

Die EHEC-Krise hat gezeigt, dass die Krankenhausfinanzierung bei Epidemien mit einer großen Zahl Schwerstkranker und neuartiger Krankheitsverläufe versagt. Die Krankenhäuser müssen derzeit davon ausgehen, dass sie auf ungedeckten Kosten in Millionenhöhe sitzen bleiben. Die Vergütung solcher unvorhersehbarer Mehrleistungen ist weiterhin unzureichend geregelt. Der Gesetzentwurf schweigt hierzu genauso wie zu dem grundlegenden Problem, dass die Kosten der Krankenhäuser schneller steigen als die Finanzierung durch die Krankenkassen.

Brach liegt auch die Weiterbildung der Ärzte zu Fachärzten. In den ursprünglichen Eckpunkten der Koalition war sie richtig als wesentliches Handlungsfeld für eine Verbesserung der Versorgung erkannt worden. Im Gesetzentwurf ist dieses für die Versorgungsqualität überragend wichtige Thema nicht mehr wiederzufinden. Dabei ist eine Finanzierungsregelung für die weiterbildungsbedingten Mehrkosten seit Jahren überfällig. Deutschland hat hier auch im internationalen Vergleich enorme Defizite.

Die im Gesetzentwurf angelegte Erprobung von Innovationen ist sinnvoll. Bedauerlich ist, dass der vorliegende Ansatz ausschließlich auf die Generierung von Erkenntnissen im Rahmen einzelner, zeitlich begrenzter und konkret definierter Studien setzt. Damit wird die Chance vergeben, dauerhaft und konzentriert institutionalisierte Prüfkompetenzen in einzelnen Innovationsfeldern wie beispielsweise der Bildgebung, der Strahlentherapie oder der Endoprothetik aufzubauen. Solche Innovationszentren böten die Chance, für die GKV frühzeitig sinnvolle Fragestellungen und Themenfelder der Versorgungsforschung zu identifizieren, bei der Abschätzung der Potenziale neuer Technologien zu unterstützen und für die Konzeption von Prüfprotokollen zuzuarbeiten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), die Selbstverwaltung der Leistungserbringer (z.B. Krankenhäuser) und Kostenträger (Krankenkassen) im Gesundheitswesen, ist keine Erfolgsgeschichte. Er hat keine erkennbaren Fortschritte hinsichtlich einer rationaleren Gestaltung der Versorgungsstrukturen, eines rationaleren Leistungskatalogs oder qualitativen Verbesserungen der Versorgung gebracht. Die angedachte Neuordnung wird an den strukturellen Schwächen des G-BA nichts Wesentliches ändern. Zu erwägen ist deshalb, die Zuständigkeit des G-BA-auf Fragen zu reduzieren, bei denen er handlungs- und entscheidungsfähig ist. Hier dürfte es sich primär um administrative Gestaltungsfragen handeln. In allen anderen Fragen, insbesondere zur inhaltlichen Gestaltung von Versorgungsstrukturen und -angeboten, sollte das Primat der Politik gelten.

Die Neuregelung der spezialärztlichen Versorgung lässt das Problem ungelöst, dass Universitätsklinika derzeit auf einem Flickenteppich von Ermächtigungsgrundlagen ambulant tätig werden müssen (Notfallversorgung, Ermächtigungen, vor-, nach- und teilstationär, Hochschulambulanz, PIA, SPZ, AOP, MVZ etc.). Mit jeder dieser Ermächtigungsgrundlagen sind andere Zulassungs-, Abrechnungs- und Qualitätssicherungsregeln verbunden. In der Praxis ist dies nicht mehr vernünftig zu administrieren. Zur Entbürokratisierung sollte der Gesetzgeber deshalb die spezialärztliche Versorgung in die Hochschulambulanzen integrieren. Diese sind bisher nur für Forschung und Lehre zugelassenen.

Ein großer Teil der neu konzipierten spezialärztlichen Versorgung betrifft seltene Erkrankungen. Universitätsklinika spielen bei deren Versorgungen eine maßgebliche Rolle. Es fehlt aber derzeit die wirtschaftliche Grundlage, um die Versorgungsangebote weiterzuentwickeln. Eine kostendeckende Versorgung dieser Patienten ist heute in aller Regel nicht möglich. Der neue § 116b SGBV wird daran vorerst nichts ändern. Deshalb müssen Zentren für Seltene Erkrankungen mit den Kostenträgern Zentrenzuschläge vereinbaren können. Die Zulassungsvoraussetzungen sollten den Vorgaben des Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) folgen.

Bei den Medizinischen Versorgungszentren ist die einseitige Klientelpolitik zulasten der Krankenhäuser nicht nachvollziehbar. Eine bessere Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor tut Not. Von Krankenhäusern getragene MVZ sind ein taugliches Instrument, um diese Verzahnung institutionell herzustellen."

 

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