Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidung von Krankenhäusern, Eingriffe ambulant durchzuführen?
27.02.2025 - Ein Forschungsteam des Hamburg Center for Health Economics der Universität Hamburg hat neue Erkenntnisse gewonnen, welche Faktoren das Angebot ambulanter Krankenhausleistungen in Deutschland beeinflussen.
Obwohl ambulante Leistungen deutschlandweit einheitlich vergütet werden, gibt es erhebliche Unterschiede im Umfang der ambulanten Versorgung in der deutschen Kliniklandschaft. Faktoren wie das Leistungsspektrum eines Krankenhauses, dessen Größe, die Infrastruktur der Notfallversorgung und vor allem die Anzahl der durchgeführten Eingriffe spielen eine große Rolle. Aber auch demografische und sozioökonomische Einflüsse, wie der Anteil an Single-Haushalten in der Region und die daraus abgeleitete Möglichkeit adäquater Nachsorge wurden in der Analyse als Gründe identifiziert. Die Ergebnisse liefern Entscheidungsträgern wichtige Einsichten zur Förderung von ambulanten Leistungen.
Dank des medizinischen Fortschritts der letzten Jahre können immer mehr Verfahren, die früher auf die stationäre Versorgung beschränkt waren, heute ambulant durchgeführt werden. Das entspricht auch dem politischen Wunsch einer stärkeren Verlagerung der Versorgung aus dem ressourcenintensiven stationären Bereich in den effizienteren ambulanten Bereich. Außerdem kann so das an anderer Stelle dringend benötigte Personal entlastet werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern hat Deutschland hier aber noch einen hohen Nachholbedarf. So wurden im Jahr 2019 in Deutschland immer noch etwa 40 % der Eingriffe, die nach deutschem Recht sowohl von niedergelassenen Fachärzten als auch von Krankenhäusern ambulant durchgeführt werden dürften, nach wie vor stationär durchgeführt. Bei einer Reihe von Eingriffen ist die stationäre Rate sogar noch höher: 80 % aller Hernienoperationen werden stationär durchgeführt, in Nachbarländern wie den Niederlanden und Dänemark sind es nur 15 %.
Um herauszufinden, welche Gründe es trotz eines einheitlichen Vergütungssystems für die Unterschiede im ambulanten Angebot von Krankenhäusern gibt, hat das Forschungsteam um Robert Messerle vom Hamburg Center for Health Economics zunächst Gesundheitsexperten und Praktiker befragt, um mögliche Einflussfaktoren zu identifizieren. Anschließend folgte eine umfassende quantitative Analyse von Daten aller deutschen Krankenhäuser.
Standen bisher vor allem finanzielle Anreize im Fokus für den immer noch hohen stationären Anteil an Leistung in Krankenhäusern, konnten nun weitere, zusätzliche Faktoren gefunden werden. „Der stärkste Zusammenhang, jedenfalls von den Variablen, die wir messen können, besteht nach unseren Ergebnissen bei der Erfahrung mit einer Prozedur. Wie oft führt ein Krankenhaus einen bestimmten Eingriff insgesamt durch (egal, ob ambulant oder stationär)? Je mehr Erfahrung ein Krankenhaus mit einer bestimmten Leistung hat, desto größer scheint die Bereitschaft zu sein, diese Leistung auch ambulant zu erbringen“, so Robert Messerle.
Darüber hinaus wurde die Verfügbarkeit adäquater ambulanter Strukturen und Prozesse sowie qualifizierten Personals als Beispiele für wichtige Faktoren in den Interviews genannt. Auch auf die Bedeutung „softer“ Faktoren wie individuelle Erfahrungen und Präferenzen der Mitarbeitenden / Ärzt*innen wurde in Befragungen hingewiesen.
Viele der in den Interviews genannten Faktoren fanden sich in den Ergebnissen der Datenanalyse wieder. Die quantitativen Ergebnisse bestätigen, dass Faktoren wie das Leistungsspektrum eines Krankenhauses, dessen Größe, die Anzahl der durchgeführten Eingriffe und die Infrastruktur der Notfallversorgung eine große Rolle spielen. Auch demografische und sozioökonomische Faktoren, wie der Anteil an Einpersonenhaushalten in der Region und damit das potentielle Fehlen eines familiären Netzes bzw. die Möglichkeit adäquater Nachsorge, wurden in der Analyse als wichtige Einflüsse gemessen.
Folgende Faktoren beeinflussen die Entscheidung von Krankenhäusern, Eingriffe ambulant durchzuführen:
Krankenhaus-interne Faktoren
- Erfahrung mit einer bestimmten Prozedur/Leistung
- Ambulante Infrastruktur der Krankenhäuser
- Betten- und Personalkapazität der Krankenhäuser
- Leistungsspektrum der Krankenhäuser
- Größe der Krankenhäuser
- Notfallversorgung in den Krankenhäusern
- Finanzielle Situation der Krankenhäuser
Krankenhaus-externe Faktoren
- Sozioökonomische, demographische und medizinische Charakteristika der Patient*innen
- Verfügbarkeit von qualifiziertem Pflegepersonal
- Standort / Krankenhausdichte und Konkurrenz
- Regionale ambulante Versorgungsinfrastruktur
- Intensität der Abrechnungsprüfung durch Krankenkassen
Zusammenfassend unterstreicht die Studie die Notwendigkeit, vielfältige Faktoren im Rahmen gesundheitspolitischer Reformen zu adressieren, um die Effektivität und Effizienz der Versorgung nachhaltig zu steigern. Ein ealleinige Fokussierung auf die finanziellen Anreize greift daher zu kurz.
Zur vollständigen Studie “Which factors influence the decision of hospitals to provide procedures on an outpatient basis? – Mixed-methods evidence from Germany” geht es hier: https://doi.org/10.1016/j.healthpol.2024.105193