Aus den Kliniken

Wie Hypnose uns tatsächlich stärker machen kann

18.10.2024 - Reine Kopfsache? Von wegen: Welchen Einfluss Hypnose auf unsere körperliche Leistungsfähigkeit hat, untersuchte Psychologin Dr. Barbara Schmidt vom Universitätsklinikum Jena in einer nun im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie.

Im Ergebnis zeigte sich, dass mithilfe von Hypnose nicht nur das subjektive Stärkegefühl gesteigert werden kann, sondern auch die objektive Stärke – und das mit langanhaltender Wirkung. Dies kann sich sowohl für den Leistungssport als auch für den Genesungsprozess von Patientinnen und Patienten nutzen lassen.

„Wo haben Sie für den Endspurt noch diese Kraftreserven hergeholt?“ Eine typische Frage, die Sportjournalisten nach einem Rennen den siegreichen Sportlerinnen und Sportlern stellen. Meistens kommt dann als Antwort etwas in Richtung „mentales Training“ oder „ich wusste, es steckt noch in mir“. Dass das keine bloßen Floskeln sind, hat Dr. Barbara Schmidt, Psychologin am Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie am Universitätsklinikum Jena in einer Hypnose-Studie nachgewiesen. Dafür hat sie zunächst mit deutschen Profi-Biathleten am Olympiastützpunkt im Schwarzwald während Hypnose-Sitzungen einen besonderen sogenannten Kraftanker entwickelt, der die berühmten „Kraftreserven“ bei den Sportlern herausgekitzelt hat. „Die Sportler sollten ihr Kraftgefühl an einen posthypnotischen Anker binden, den sie dann bei Bedarf, also vor allem im Rennen, aktivieren konnten“, erklärt Schmidt.

Mit dem Super-Mario-Kart-Stern Kräfte mobilisieren

Hierzu sollten sich die Athleten während der Hypnosesitzung vorstellen, dass sie das Stern-Item aus dem Konsolen-Spiel „Super Mario Kart“ aktivieren. Der Stern macht den Spieler für kurze Zeit sehr schnell und unverwundbar, was visuell durch buntes Blinken und auditiv durch eine bestimmte Melodie angezeigt wird. „Die Athleten dachten also im Rennen an ihren Super Mario Stern und das daran geknüpfte Gefühl der Stärke und Unverwundbarkeit, das sie in Hypnose an diesen Anker geknüpft haben“, erklärt Schmidt. Und das mit Erfolg. „Sie konnten sozusagen ihre innere Kraft entfesseln.“ Denselben Kraftanker nutzte Schmidt auch bei Hypnosesitzungen in ihrer aktuellen Studie, um zu überprüfen, ob Hypnose die Muskelkraft tatsächlich beeinflussen kann. Dafür verglich sie die Griffkraft der Hand von insgesamt 48 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern vor, unmittelbar nach und eine Woche nach Hypnose. Während die Hälfte der Teilnehmenden eine 40-minütige Hypnosesitzung erhielt, las die Kontrollgruppe im selben Zeitraum die Autobiografie „Total Recall“ von Arnold Schwarzenegger. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Hypnosegruppe fühlte sich nach der Aktivierung des Kraftankers nicht nur subjektiv stärker als die Kontrollgruppe, sie wies auch eine Woche nach der Hypnosesitzung eine objektiv stärkere Griffkraft auf.

Ganz konkret nutzten Schmidt und ihr Forschungsteam ein Handdynamometer, um die Handgriffkraft der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer objektiv zu messen. Diese Messungen fanden zu Beginn der Studie bei allen Teilnehmern statt, um das Ausgangsniveau zu erfassen und dann nach der Hypnosesitzung beziehungsweise der Buchlesung. Eine Woche später wurde die Handgriffkraft wieder vor und nach der Aktivierung des posthypnotischen Kraftankers gemessen. Zur Einordung des subjektiven Stärkegefühls nutzte Schmidt eine Skala von 0 bis 100, nach der sich die Teilnehmenden selbst einschätzen sollten. Mit deutlichem Ergebnis. „Wir konnten zeigen, dass schon eine einzelne Hypnosesitzung, bei der das Gefühl der Stärke an einen posthypnotischen Anker gebunden wird, in diesem Fall der Mario-Kart-Stern, sowohl die subjektive als auch die objektive Stärke erhöht, und das mit langanhaltender Wirkung. Hypnose führt also offenbar nicht nur zu einer Veränderung des mentalen Zustands, sie bewirkt in Folge auch Änderungen auf der physiologischen Ebene“, so Schmidt.

Hypnose für Leistungssport und Genesungsprozesse nutzen

Diese Erkenntnis könne man einerseits für den Profisport nutzen, um die Leistungsfähigkeit der Sportlerinnen und Sportler zu erhöhen. Andererseits empfiehlt Schmidt, Hypnose als nicht-invasive Methode auch für den Genesungsprozess bei Patientinnen und Patienten als Ansatz in Betracht zu ziehen, beispielsweise bei der Behandlung von ME/CFS. Das chronische Erschöpfungssyndrom hat insbesondere im Zusammenhang mit Long COVID zugenommen, es gibt noch keine kausale Therapie. „Wir können mithilfe von Hypnose und eines entsprechenden posthypnotischen Kraftankers unsere innere Kraft entfesseln und damit unsere Gesundheit positiv beeinflussen.“

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