Schwere Sepsis
Sepsis-induziertes Multiorganversagen trägt sehr zur Mortalität von Intensivpatienten bei
Als Sepsis bezeichnet man einen Krankheitszustand, der durch eine Infektion und eine gleichzeitige generalisierte Entzündungsantwort des Erkrankten hervorgerufen wird. Ein wesentliches Merkmal hierbei ist, dass es nicht gelingt, die eigentliche Entzündung lokal zu begrenzen. Durch eine überschießende und unkoordinierte Freisetzung verschiedener sogenannter Mediatoren kommt es u. a. zu einer unkontrollierten Blutgerinnung in allen Blutgefäßen. Dieses wiederum führt zu einer Mangelversorgung von Organen, die primär nicht von der Infektion betroffen waren. Wenn dieser Prozess nicht wirksam und rechtzeitig gestoppt werden kann, kommt es zu einem Versagen der beteiligten Organe. Je nach Schweregrad unterscheidet man eine Sepsis (Infektion mit Aktivierung des Mediatorenssystems), eine schwere Sepsis (mit Beteiligung primär nicht betroffener Organe) und einen septischen Schock (Kreislaufversagen).
Bezüglich der Häufigkeit und der Letalität der Sepsis gab es bisher nur sehr ungenaue Angaben. Ein wesentlicher Grund hierfür ist der Umstand, dass eine Sepsis in nahezu jedem Fachgebiet auftreten kann. Viele Fachgesellschaften haben sich um das Krankheitsbild der Sepsis gekümmert, keine jedoch richtig. Dies führte zu einer uneinheitlichen Definition und Abbildung in den entsprechenden Kodiersystemen, sodass genaue Daten nicht verfügbar waren. Ferner gab es aber auch unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Pathophysiologie der Erkrankung und keine einheitlichen Therapievorstellungen. In der studentischen Lehre ist die Sepsis ebenfalls oft nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit bedacht worden. Der 2001 gegründeten Deutschen Sepsis Gesellschaft (DSG) ist es u. a. zu verdanken, dass es heute einheitliche Kodierrichtlinien gibt und dass eine durch das Kompetenznetzwerk Sepsis (SepNet) durchgeführte bundesweite Studie für Deutschland erstmals verlässliche Zahlen geliefert hat.
Demnach erkranken in Deutschland pro Jahr 75.000 Einwohner (110 von 100.000) an einer schweren Sepsis bzw. septischem Schock und 79.000 (116 von 100.000) an einer Sepsis.
Mit ca. 60.000 Todesfällen stellen septische Erkrankungen die dritthäufigste Todesursache nach dem akuten Myokardinfarkt dar. Die direkten anteiligen Kosten, die allein für die intensivmedizinische Behandlung von Patienten mit schwerer Sepsis anfallen, liegen bei ca. 1,77 Mrd. €. Ca. 30 % des Budgets für Intensivmedizin werden damit in die Behandlung der Sepsis investiert.
Die SepNet-Studie zeigte auch, dass wesentliche, als gesichert geltende intensivmedizinische Therapieansätze nicht flächendeckend umgesetzt sind. Das Problem, evidenzbasierte Leitlinien in die tägliche klinische Routine umzusetzen, ist weltweit bekannt. Eine Lösung hierfür wird in der Anwendung einfacher, sich auf einzelne Behandlungsschritte beziehende Handlungsanweisungen (standard operating procedure (SOP)) gesehen. Für die Therapie der Sepsis stehen derartige SOPs in Form sogenannter Sepsis-Bundles von der Surviving-Sepsis-Compaign (www.survivingsepsis.org) bzw. als deutsche Version von der DSG (www.sepsis-gesell schaft.de) zur Verfügung.
Wesentliche Eckpfeiler der Diagnose, Prophylaxe und der Therapie der Sepsis sind in der S2-Leitlinie der DSG aufgeführt. Bei der Therapie wird zwischen einer kausalen, supportiven und adjunktiven Therapie unterschieden.
Die kausale Therapie umfasst die primäre Therapie der zugrunde liegenden Infektion. Dies kann entweder eine chirurgische Sanierung (z. B. Ausräumung eines Abzesses) und/oder eine adäquate Therapie mit Antibiotika bzw. Antimykotika umfassen. Der Stellenwert einer zeitgerechten und adäquaten Antibiotikatherapie, die anfangs sehr breit angelegt sein muss, um alle potentiellen Erreger zu erfassen, ist heute unumstritten. Es konnte gezeigt werden, dass eine primär nicht adäquate Antibiotikatherapie mit einer deutlich schlechteren Überlebensrate einhergeht. Ebenfalls führt ein verspäteter Therapiebeginn zu signifikant schlechteren Therapieergebnissen, wobei hier bereits Verzögerungen von 30 min relevant sind.
Die supportive Therapie umfasst in erster Linie die Kreislauftherapie beim septischen Patienten. Hierzu gehören in aller Regel eine Beatmungstherapie, die Gabe von großen Mengen Flüssigkeit und die Therapie mit vasoaktiven Substanzen zur Verbesserung der Herzleistung und zur Aufrechterhaltung des Blutdruckes.