IT & Kommunikation

Klinik-IT gestaltet IT-Zukunft

04.05.2011 -

Damit die Klinik-IT ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann und damit sie die steigenden Herausforderungen bei knappen Budgets meistert, wollen alle Beteiligten im offenen Dialog bleiben. Diesen voranzubringen, schreibt sich die Arbeits- und Kommunikationsplattform „Entscheiderfabrik" auf die Fahnen.

Die betriebswirtschaftliche Organisation dieser Arbeits- und Kommunikationsplattform übernimmt die Gesellschaft für Unternehmensführung & IT-Service-Management in der Gesundheitswirtschaft (GuiG).

In der Entscheiderfabrik, deren stellvertretender Vorsitzender des GuiG Lenkungskreises Dr. Carl Dujat, ist, werden jährlich notariell begleitet die fünf IT-Schlüsselthemen der Krankenhaus-Unternehmensführung gewählt, die aktuelle Problemfelder in der Klinik-IT benennen. Vertreter aus Industrie und Praxis erarbeiten sodann in gemeinsamen Projekten entsprechende Lösungsmöglichkeiten. Dieses 2011 sich zum vierten Mal wiederholende Prozedere soll wie eine Initialzündung wirken und in den Kliniken zu nachhaltigen und langfristigen Änderungen führen.

M&K: In der Entscheiderfabrik wurden die fünf neuen Schlüsselthemen für 2011 gewählt. Nun werden entsprechende Projekte bearbeitet, die als Best-Practice-Modelle die Rolle einer Initialzündung für andere Kliniken übernehmen sollen. Das klingt spannend. Bitte erläutern Sie das mit einem Beispiel.

Dr. Carl Dujat: Zu einem Schlüsselthema bearbeiten die jeweils auf dem Entscheiderevent im Februar zusammengestellten Teams aus ein bis zwei Krankenhäusern, einem Industrie-Sponsor und einem Berater unterjährig bis zur Medica ein konkretes IT-Projekt. Aufgrund des demokratischen Wahlverfahrens der Schlüsselthemen ist sichergestellt, dass es sich hierbei tatsächlich um relevante Fragen und/oder Themen der Geschäftsführungen und der beteiligten Krankenhäuser handelt.

So konnte z. B. im einem Schlüsselthema im Jahr 2010 konkret nachgewiesen werden, dass über den Aufbau eines IHE-konformen Datenrepositories und eines MPI (Master Patient Index) an zwei deutschen Groß-Krankenhäusern sowohl die Migration von Altsystemen als auch der Aufbau von interdisziplinären Portalen recht einfach möglich ist. Diese Idee einer systemunabhängigen und an Standards orientierten Systemmigration bzw. Systemintegration haben inzwischen viele andere Kliniken aufgegriffen. Sie kann aufgrund der gewonnenen Erfahrungen - im Vergleich zu den bisher existierenden „Alt-Lösungen" - mit deutlich geringerem Ressourcenaufwand (Personal, Hardware, Software etc.) umgesetzt werden.

Woran liegt es, dass es den deutschen Kliniken oft an einer reibungslos funktionierenden Gesamt-IT-Strategie fehlt, obwohl entsprechende intelligente Lösungen namhafter Unternehmen vorliegen?

Dr. Carl Dujat: Hier muss man differenzieren: Viele deutsche Kliniken haben inzwischen erkannt und damit begonnen, IT-Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Aufgrund der sich permanent ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen (Abrechnung, QS, Medizintechnik-Integration etc.) und eingeschränkter IT-Budgets können solche Strategien jedoch „operativ" häufig nur langsam oder in Teilschritten umgesetzt werden. Dies kostet Zeit und wird durch das „IT-Tagesgeschäft" zum Teil behindert.

Hinzu kommt, dass die von der Industrie angebotenen Lösungen für sich betrachtet zwar durchaus funktional und „intelligent" sein mögen, häufig aber die Integration neuer Konzepte bzw. Lösungsansätze in die bestehende heterogene IT-Applikationsstrukturen schwierig und mit hohem Aufwand verbunden ist.

Wo genau liegen die Hürden?

Dr. Carl Dujat: Wie angedeutet ist der Aufwand für die Integration komplexer IT-Lösungen in den Kliniken und auch für die Anbieter zum Teil sehr hoch. Dies ist auch bedingt durch die durchaus schwierige Anpassung der klinikinternen Prozesse an moderne IT-Lösungen und umgekehrt. Der Slogan „IT follows strategy" oder „IT follows processes" ist noch nicht durchgängig umsetzbar.

Darüber hinaus wartet die gesamte Branche auf den routinemäßigen „Durchbruch" neuer innovativer Technologien. Hier seien beispielhaft die geplante Einführung der elektronischen Gesundheitskarte oder des Heilberufeausweises (inkl. digitaler Signaturen) genannt, die inzwischen mehrfach verzögert und verschoben wurden. Hier sind Selbstverwaltung und Politik aufgefordert, den Innovationszyklus deutlich zu beschleunigen bzw. nicht zu unterbrechen.

Telematikprojekte gewinnen rasant an Bedeutung. So scheint der E-Health-Bereich für den häuslichen Standort stark an Kontur zu gewinnen: Welchen Stellenwert wird die Telematik in zehn Jahren eingenommen haben?

Dr. Carl Dujat: Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der demografischen Entwicklung, der zunehmenden Selbstbestimmung der Patienten und des Rückgangs der ärztlichen Versorgungsdichte in strukturschwachen Regionen künftig telematische und telemedizinische Anwendungen rasant an Bedeutung gewinnen.

Auch hier sind Politik und Selbstverwaltung gefordert. Erfolgversprechende Pilotprojekte wurden zum Teil trotz vorliegender und nachgewiesener Nutzenpotentiale verschoben oder nicht fortgeführt, weil Fragen der Finanzierung oder des technischen und organisatorischen Roll-Outs in größere Anwendungsbereiche (zu) lange unbeantwortet geblieben sind.

Dies ist umso unverständlicher, da mittlerweile aufgrund mehrerer Studien nachgewiesen wurde, dass eine flächendeckende und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung in vielen dünn besiedelten und ärztemäßig unterversorgten Regionen Deutschlands ohne eine telematische Unterstützung nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Kliniken?

Dr. Carl Dujat: Kliniken müssen sich jetzt natürlich zunehmend auf die intersektorale Vernetzung und IT-gestützte Kommunikation mit externen Partnern vorbereiten. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen an den Datenschutz, eine gesicherte Kommunikation und eine revisionssichere Speicherung von Daten und Dokumenten.

Dazu liegen die Konzepte bei vielen Kliniken schon „in der Schublade" oder befinden sich auch schon in der Umsetzung. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Ausprägung und Anforderungen der IT-Lösungen z. B. von niedergelassenen Ärzten auf einem technisch anderen Niveau als in den Kliniken abgebildet werden. Hier wird auf die Kliniken zukünftig eine neue Aufgabe im Sinne eines „Daten-Providers" zukommen.

Viele Anbieter von Gesundheitsprodukten erkannten das Potential von Apps und bieten zahlreiche Produkte an. Es gibt kostenfreie Pulsdruck-Applikationen, die das Herz-Kreislaufsystem überwachen, oder es lassen sich Seh- oder Hörtests durchführen. Wie beeinflussen diese Produkte künftig möglicherweise die Klinik-IT?

Dr. Carl Dujat: Diese sog. „Apps" sind derzeit noch weitestgehend für den „Hausgebrauch" konzipiert. Allerdings haben auch einige KIS-Anbieter inzwischen diesen Trend aufgenommen und Anwendungen für mobile Consumer-Endgeräte entwickelt, die via Schnittstelle (Bluetooth, UMTS etc.) auch mit dem KIS in der Klinik kommunizieren oder deren Datenstrukturen nutzen.

Für die Klinik-IT bedeutet dies, dass auch der Patient künftig als Datenlieferant und Kommunikationspartner in die IT-Lösungen zu integrieren ist. Dies ist technisch sicherlich realisierbar, offen oder zu bearbeiten sind hier sicherlich noch Fragen im Umfeld des Datenschutzes, der Sicherheit der Bedienung und des Endbenutzer-Supportes bei ggf. auftretenden technischen Fehlersituationen.

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