Labor & Diagnostik

Point-of-Care-Testing in der Notfallmedizin

26.01.2012 -

Point-of-Care-Testing (POCT) gewinnt in der Notfallmedizin zunehmend an Bedeutung, da sie in lebensbedrohlichen Notfallsituationen schnelle therapeutische Reaktionszeiten ermöglicht. Erfahrungen aus dem Zentrum für Notfall- und Akutmedizin am Kath. Marienkrankenhaus Hamburg zeigen, dass die Anwendung von POCT nicht nur klinische, sondern auch organisatorische und ökonomische Vorteile bereithält.

Mit rund 33.000 Patienten pro Jahr gehört das Zentrum für Notfall- und Akutmedizin am Marienkrankenhaus Hamburg inklusive Traumazentrum, Chest Pain Unit und Stroke Unit zu den wichtigsten Notfallversorgern der Stadt. Es fußt auf den drei Säulen Hochleistungs-Notfallmedizin, allgemeiner Akutmedizin sowie kurzstationärer Notfallmedizin.

Patientennah durchgeführte Laboruntersuchungen mit einfach zu bedienenden Messsystemen - das sog. POCT - bilden einen wichtigen Baustein für die Abläufe im Zentrum. Bereits seit Anfang 2010 besteht die Möglichkeit, die Biomarker Troponin, Myoglobin, CKMB, D-Dimer sowie BNP mit einem POCT-System zu bestimmen. In diesem Jahr wurde ergänzend ein Hand-held-basiertes Blutgas-Analysegerät eingeführt. Die wesentlichen Argumente für die Implementierung dieser POCT-Systeme, die seit April im Routinebetrieb sind, waren: schnellere Ergebnisse, kürzere Wege und effizientere Prozesse.

Faktor Zeit

Insbesondere die Bestimmung von Parametern, welche Aussagen über die Vitalfunktion erlauben und von denen im Notfall weitere diagnostische wie therapeutische Interventionen abhängen, muss zeitnah erfolgen. Mit dem Einsatz des Hand-held-basierten POCT-Systems Epoc konnte die Turn-Around-Time, also die Zeit von der Abnahme der Probe bis zur Ermittlung der Ergebnisse an den Arzt, stark verringert werden. Innerhalb weniger Minuten lassen sich nun Blutgase und Elektrolytwerte in der wichtigen initialen Diagnostik- und Versorgungsphase direkt am Krankenbett bestimmen. Mit entsprechenden Therapiemaßnahmen kann sofort begonnen werden. Ein weiterer Vorteil für Patienten ist der geringe Bedarf an Probenvolumen. Bereits wenige Tropfen Kapillarblut reichen aus, um zuverlässige Testergebnisse zu erzielen.

Notaufnahmen stehen zudem häufig vor der Herausforderung, eine größere Anzahl von Patienten zu behandeln. Wartezeiten durch ausstehende Laborwerte führen nicht nur bei Patienten zu Frustration. Durch POCT lassen sich die Transporte einzelner Untersuchungsproben in das (räumlich getrennte) Laboratorium reduzieren. Wartezeiten werden verkürzt und Abläufe effizienter gestaltet. Diese Ressourcenoptimierung ermöglicht auch ökonomische Vorteile.

Im Marienkrankenhaus sind mittlerweile beide POCT-Systeme an das Krankenhausinformationssystem (KIS) angebunden. Die Integration der Systeme erfolgte über das klinikeigene WLAN-Netz. Dies ermöglicht unter anderem eine Echtzeit-Abbildung der POCT-Ergebnisse auf die Instrumententafel sowie deren Ausdruck auf mobilen Thermodruckern. Die Ergebnisse sind in die Laborsoftware integriert und können elektronisch dokumentiert und archiviert werden.

Schulung als Daueraufgabe

POCT-Untersuchungen werden in der Regel nicht von Labormitarbeitern durchgeführt, sondern von Pflegepersonal und Ärzten. Eine eingehende medizin-technische Ausbildung sowie Erfahrungen auf dem Gebiet der Laboratoriumsmedizin sind nicht erforderlich. Um mögliche Nachteile der Einführung von POCT wie eine mangelnde Qualitätssicherung oder zusätzliche Belastung von Pflegepersonal und Ärzten zu umgehen, müssen gezielte organisatorische Maßnahmen durchgeführt werden.

Zu den wichtigsten Komponenten zählt dabei die Benennung eines POCT-Koordinators mit Verantwortlichkeiten für Verfahren und Geräte. Unter seine Kompetenz fällt sowohl die Wartung und Instandhaltung der Geräte als auch die fortlaufende Schulung des Personals. Insbesondere die regelmäßige Geräteschulung gehört zu den Erfolgsfaktoren für die Implementierung von POCT. Im Zentrum für Notfall- und Akutmedizin wurden zu Projektbeginn eigene Schulungen unter Leitung von Mitarbeitern des Geräteherstellers in den verschiedenen Klinikabteilungen und -stationen durchgeführt. An diesen Schulungen nahm nicht nur das Personal der Notaufnahme teil, sondern auch weitere unmittelbar Beteiligte aus den Bereichen Medizintechnik und IT.

Eng verbunden mit der Schulung im Umgang mit den Geräten ist die Qualitätssicherung von POCT-Untersuchungen. Als Grundsatz gilt, dass Laborbefunde am Point-of-Care und im Zentrallabor mit der gleichen Zuverlässigkeit und nach denselben Standards ermittelt werden sollen. Ziel ist es, eine Einheitlichkeit der Verfahren hinsichtlich Präzision und Evidenz zu erzielen. Im Zentrum für Notfall- und Akutmedizin erfolgt deshalb eine tägliche Kontrolle der elektronischen und physikalischen Standards sowie eine wöchentliche Überprüfung von Kontrollproben. Die Kontrollproben erfolgen nach den Beurteilungen der „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung quantitativer laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen" (RiliBÄK 2001). Externe Überprüfungen, die viermal pro Jahr stattfinden, runden die Qualitätssicherung der POCT ab. Sollte es einmal zu Qualitätsproblemen kommen, sorgt die POCT-Software dafür, dass die Patientenwerte bis zur Fallkontrolle und gegebenenfalls folgender Freigabe durch die Labormediziner zurückgehalten werden.

Fazit

Point-of-Care-Testing ist nur dann sinnvoll, wenn die schnelle Werteverfügbarkeit auch zu einer Reduktion der Turn-Around-Time führt. Hierzu bedarf es der notwendigen diagnostischen, therapeutischen sowie personellen Ressourcen im weiteren Prozess. Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Implementierung von POCT ist eine initiale Workflow-Analyse mit gegebenenfalls folgender Prozessoptimierung. Eine Anbindung an das KIS und das Laborinformationssystem ist zwingend erforderlich. Weiterhin muss ein interdisziplinärer und interprofessioneller Pathway generiert und konsequent eingehalten werden, wann POCT-Untersuchungen indiziert sind. Eine ökonomische Betrachtung von POCT muss unter Berücksichtigung des gesamten Prozesses stattfinden. Ansonsten ist die Rentabilität des initial höheren Zeit- und Kostenaufwands nicht gegeben.

 

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