Kommentar: Schleichendes Gift
21.08.2014 -
Kommentar: Schleichendes Gift. Es ist im Gesundheitswesen fast schon Tagesgeschäft: Wieder einmal steht eine Gesundheitsreform an.
Die Eckpunkte der Regierungskoalition für eine Gesundheitsreform 2006 liegen seit geraumer Zeit vor; ein Gesetzentwurf soll im September vorgelegt und das parlamentarische Verfahren im Dezember abgeschlossen werden, so dass das Gesetz zum 1. Januar 2007 in Kraft treten kann.
Bei Erstellung dieses Kommentars deutet indes einiges darauf hin, dass sich dieser ehrgeizige Zeitplan wohl nicht halten lassen wird.
Das Eckpunktepapier sieht viele Grausamkeiten für die Krankenhäuser vor.
Insbesondere die beabsichtigte und als Sanierungsbeitrag bezeichnete 1%ige Pauschalkürzung der Krankenhausbudgets schlägt dem Fass den Boden aus und kann nur noch als Provokation der Krankenhäuser gewertet werden.
Man muss sich ernsthaft die Frage stellen, ob man von Politikern, denen offenbar jede Vorstellung von der dramatischen finanziellen Situation der Krankenhäuser fehlt, überhaupt noch tragfähige Reformen erwarten darf.
Die Anmutung der Reformmacher, dass die Krankenhäuser einen besonderen Sanierungsbeitrag zur Stabilisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) leisten müssen, weil sie der größte GKV-Ausgabenblock sind, ist mehr als abenteuerlich.
Die Politik übersieht hier geflissentlich, dass die Krankenhäuser sowohl quantitativ als auch qualitativ den größten Anteil an der medizinischen Versorgung haben.
Sie übersieht auch, dass die Krankenhausbehandlung quasi ein Komplettpaket ist, das neben der ärztlichen Behandlung auch die pflegerische Betreuung sowie die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln enthält.
Für den ambulanten Bereich werden diese Positionen der GKV-Leistungsausgaben hingegen getrennt ausgewiesen.
Würde man die Ausgabenpositionen im ambulanten Bereich entsprechend aggregieren, was eigentlich notwendig ist, um Vergleichbarkeit herzustellen, so sind die Ausgaben für Krankenhausbehandlung keinesfalls mehr der größte GKV-Ausgabenblock.
Man kann die voranstehenden Aspekte mit einfachen Worten zusammenfassen: Den Ausgaben für die stationäre Versorgung stehen auch entsprechende Leistungen gegenüber! Aus welchem Grund sind dann Budgetkürzungen gerechtfertigt?
Bei ihren Reformideen haben die Koalitionäre auch übersehen, dass die Krankenhäuser gerade jetzt mit überproportionalen Kostensteigerungen konfrontiert sind, die vor allem tarifvertraglich und politisch induziert und somit nicht von den Kliniken zu beeinflussen sind.
Im aktuellen Tarifkonflikt fordern die Ärzte zweistellige Lohnzuwächse, und den Kliniken drohen durch die Mehrwertsteuererhöhung 2007 Mehr ausgaben in Millionenhöhe.
Allein aus diesen Gründen ist mit Mehrkosten in den Krankenhäusern von voraussichtlich zwischen 4 und 5 % der Klinikbudgets zu rechnen. Die Kliniken sind deshalb gut beraten, generell eine Refinanzierungsregelung des Gesetzgebers für alle politisch oder tarifrechtlich ausgelösten Kostensteigerungen zu fordern.
Mit anderen Worten: 5 % mehr für die Gesundheit statt pauschale Kürzungen! Und schließlich hat die Politik offenbar vergessen, dass die Krankenhäuser inzwischen schon seit mehr als 10 Jahren eine Festschreibung ihrer Budgets hinnehmen müssen, die im Grunde keine Rücksicht auf die Kosten- und Leistungsentwicklung in den Klinken nimmt.
Wenn es den Krankenhäusern gelungen ist, mit der dadurch hervorgerufenen Unterfinanzierung fertig zu werden, so muss auch darüber nachgedacht werden, auf welche Weise die oft und viel zitierten Rationalisierungspotentiale möglicherweise auch „gehoben“ worden sein könnten.
Ein Antwort hierauf sind vielleicht die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern, insbesondere für die Ärzte, aber auch die anderen Berufsgruppen, die – ironischerweise – gerade von der Politik gerne beklagt werden.
Eine schleichende, aber von den Patienten noch nicht kollektiv wahrgenommene Verschlechterung der medizinischen Versorgung könnte eine andere Antwort auf die se Frage sein.
Wenn die Politik ihren bisherigen Weg fortsetzt, so könnte sich das schleichende Gift der Kürzungen im Gesundheitswesen sehr schnell – und vielleicht schon mit der Gesundheitsreform 2006 – als hochexplosive Zeitbombe erweisen – politisch und gesellschaftlich.
Hans Ditzel