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Interferon beta-1b: Frühtherapie verzögert Entwicklung klinisch gesicherter Multipler Sklerose

Interferon beta-1b: Frühtherapie verzögert die Entwicklung einer klinisch gesicherten Multiplen Sklerose. Studien zufolge verzögert die frühzei­tige Therapie mit Interferon beta­1b (Betaferon) bei einem ersten, auf eine Multiple Sklerose hindeutenden Schub die Entwicklung einer klinisch gesi­cherten MS. Bisher gab es jedoch keine Belege aus kontrollierten Studien da­ für, ob die Behandlung nach dem ersten oder zweiten Schub die Entwicklung einer bleibenden Behinderung wirksa­mer hinausschiebt. Dies konnte jetzt anhand der 3-­Jahres­Analyse der Stu­die BENEFIT geklärt werden.

Das Ergebnis von BENEFIT (Betaferon/ Betaseron in Newly Emerging Multiple Sclerosis For Initial Treatment) [Lancet 2007; 370: 389–97] zeigt laut Prof. Dr. Norbert Sommer, Göppingen, dass der frühe Behandlungsbeginn bleibende Behinderungen und die Krankheitsprogression hemmt. Damit wird der Einsatz von Interferon beta-1b (Betaferon) nach Erstmanifestation einer schubförmig-remittierenden MS durch die Daten unterstützt. In der placebokontrollierten ersten Phase der doppelblinden Studie wurden 468 Patienten mit einem ersten MS-verdächtigen Schub und mindestens zwei klinisch stummen Läsionen in der Magnetresonanztomographie (MRT) randomisiert. Sie erhielten eine Therapie mit Interferon beta-1b (n = 292) oder Placebo (n = 176) jeden zweiten Tag subkutan für zwei Jahre bzw. bis zur Diagnose einer klinisch gesicherten MS. Die Ergebnisse der beiden Studiengruppen wurden nach zwei und drei Jahren ausgewertet.

Nach zwei Jahren zeigte sich in der Placebogruppe bei 85 % der Patienten eine MS-Manifestation. Das Risiko der Krankheitsmanifestation war bei den Patienten unter der Interferon beta-1b-Therapie um 46 % geringer. Noch eindrucksvoller sind laut Sommer die Daten der anschließenden offenen Studienphase, in der allen Patienten für weitere drei Jahre eine Therapie mit Interferon beta-1b angeboten wurde. 418 (89 %) nahmen an der Nachbeobachtungsphase teil, 392 (84 %) schlossen die Nachbeobachtung drei Jahre nach Randomisierung ab. Nach drei Jahren hatten 99 Patienten (37 %) in der Gruppe mit früher Behandlung eine klinisch gesicherte MS entwickelt, verglichen mit 85 Patienten (51 %) in der Gruppe mit verzögerter Behandlung. Durch die frühe Gabe von Interferon beta-1b wurde das Risiko für die Entwicklung einer MS gegenüber der verzögerten Therapie um 41 % gesenkt. Bemerkenswert war laut Sommer auch die Tatsache, dass unter der verzögerten Behandlung 24 % der Patienten, aber nur 16 % bei frühzeitiger Therapie eine Progression des EDSS (Expanded Disability Status Scale) entwickelt hatten. Die frühe Behandlung verringerte das Risiko für eine Progression der Behinderung um 40 % im Vergleich zur verzögerten Therapie.

BEYOND-Studie zur Höhe der Dosierung

Fragen zur Betaferon-Dosis beantwortete die BEYOND-Studie (Betaferon Efficacy Yielding Outcomes of a New Dose) [O’Connor P, AAN 2008, Oral Session]. Einbezogen waren etwa 2.200 Patienten mit bisher nicht behandelter schubförmig remittierender MS. In der Vergleichsstudie wurden sie mit der Standarddosierung 250 μg Interferon beta-1b oder mit 500 μg behandelt. Ein dritter Studienarm verglich beide Dosisregimes mit der Gabe von Glatirameracetat. Laut Sommer ergab die Hochdosis - gegenüber der Standardtherapie keine signifikant höhere Wirksamkeit – auch nicht beim Vergleich mit Glatirameracetat. Weitere Daten zeigten, dass im Verlauf der zweijährigen Studie signifikant weniger kernspintomographische Veränderungen des T2-Volumens unter der Interferonbehandlung als unter Glatirameracetat auftraten: Betaferon 500 μg (+11,9 %), Betaferon 250 μg (+9,9 %), Glatirameracetat (+17,3 %). Die Abbruchrate war unter der Standarddosierung von Interferon beta-1b mit 13 % am niedrigsten gegenüber 17 % unter Glatirameracetat und 19 % unter der hohen Dosierung, was die gute Verträglichkeit des Wirkstoffs bestätigt.

Auch Kinder profitieren von Interferon

Auch Kinder und Jugendliche können an einer MS erkranken, in Deutschland sind es nach Schätzungen etwa 200 jährlich. Da es laut Prof. Dr. Jutta Gärtner, Göttingen, bislang keine prospektiven, kontrollierten klinischen Studien zur Therapie der MS einschließlich der Frühtherapie bei Kindern und Jugendlichen gibt, orientiert sich die Behandlung derzeit an den Leitlinien für erwachsenen Patienten. Wie Gärtner weiter sagte, scheinen Patienten mit schubförmig remittierender kindlicher MS auch von Interferon beta-1b bei guter Verträglichkeit zu profitieren.

Die am „Deutschen Zentrum für Multiple Sklerose im Kindes- und Jugendalter arbeitende Neurologin forderte dringend klinische Studien, um einen evidenz-basierten Nachweis der Effektivität der Therapien zu erbringen. An dem Göttinger Zentrum wird ein MS-Register für Kinder und Jugendliche geführt, von dem man sich weitere Erkenntnisse erhofft.

Motivation zur Therapietreue

MS-Patienten müssen umfassend über ihre Erkrankung informiert, bei der Krankheitsbewältigung unterstützt und zur Therapietreue motiviert werden, sagte Wolfgang Köhler, Wermsdorf. Da eine solche Patientenführung sehr aufwändig ist, könnten Betreuungsprogramme wie Betaplus eine erhebliche Entlastung für den Arzt darstellen – dies vor allem durch eine geschulte Krankenschwester als Ansprechpartnerin.

Die Krankenschwester stärkt die Kooperationsbereitschaft und Therapietreue, übernimmt Schulungsaufgaben sowie die Dokumentation. Das Programm bietet den Patienten darüber hinaus umfassende Informationsmaterialien, die Zeitschrift „Lidwina“ und ein Serviceteam (Tel.-Nr. 0800 238 23 37).

Eine Untersuchung zur kumulierten Abbruchrate nach ein bis zwölf Monaten unter einer Therapie mit Basistherapeutika ergab laut Köhler eine Verbesserung der Compliance durch das Betaplus-Programm: 25 % der Patienten brachen nach zwei Jahren die Therapie ab, bei Betaplus nur etwa 15 %.

Hoffnung auf monoklonalen Antikörper

Die Therapie der MS könnte in den nächsten Jahren mit dem humanisierten monoklonalen Antikörper Alemtuzumab einen gewaltigen Schritt vorwärts kommen, erklärte Prof. Dr. Bernd Kieseier, Düsseldorf. Die ersten klinischen Studien mit Alemtuzumab an MS-Patienten unterstützen das Konzept, dass eine gegen das Immunsystem gerichtete Therapiestrategie gerade in der frühen Erkrankungsphase sinnvoll erscheint.

So hat eine Zwischenanalyse einer Phase-II-Studie mit dem Antikörper überraschend gute Ergebnisse gezeigt: Bei den 334 einbezogenen Patienten, die einmal jährlich Alemtuzumab erhalten hatten, kam es gegenüber einer Kontrollgruppe mit dreimal wöchentlicher Interferon beta-1a-Gabe je nach Dosierung zu einer signifikanten Risikoreduktion der Schubraten um 72 % bzw. 87 %.

„Der Effekt ist um ein Vielfaches größer als bei der herkömmlichen Therapie“, bemerkte dazu Kieseier. Bei der Behinderungsprogression betrug die Risikoreduktion unter Alemtuzumab 66 % bzw. 88 %. Inwieweit sich die Effekte des CD52-Antikörpers bestätigen lassen, wird derzeit in einem Phase-III-Entwicklungsprogramm geprüft.

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