Prof. Mathias Freund erhält Bundesverdienstkreuz
14.06.2022 - Für seine Bemühungen um die Aufarbeitung der Geschichte der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. und des Fachgebiets sowie sein Engagement für junge Erwachsene mit Krebs ist Prof. Dr. med. Mathias Freund mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland am Bande ausgezeichnet worden.
Die Verleihung fand im Hamburger Rathaus statt. Überreicht wurde die Auszeichnung am 13. Juni 2022 von der Senatorin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration, Dr. Melanie Leonhard.
Aufarbeitung der historischen Verantwortung der DGHO
Als langjähriger Sekretär der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. und als Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO von 2013 bis 2016 hat sich Prof. Dr. med. Mathias Freund maßgeblich für die Aufarbeitung der Geschichte der Fachgesellschaft und hier besonders ihrer historischen Verantwortung während der nationalsozialistischen Diktatur von 1933 bis 1945 eingesetzt. So wurde unter anderem auf sein Bestreben hin eine eigene Historische Forschungsstelle geschaffen, die bis Ende 2021 von dem Medizin-historiker Prof. Dr. med. Peter Voswinckel geleitet wurde. Im Rahmen der Tätigkeit der Historischen Forschungsstelle sind eine ganze Reihe von vielbeachteten Publikationen entstanden. Bedeutenden jüdischen Wissenschaftlern wurde die ihnen geraubte Identität und Anerkennung ihrer Verdienste wiedergegeben, und es wurden auch diejenigen benannt, die sich ihr Werk angeeignet hatten.
Die tragende Rolle Freunds, der auch Ehrenmitglied der DGHO ist, bei der historischen Aufarbeitung betont Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Würzburg: „Im Rahmen seines unermüdlichen Engagements war es Professor Mathias Freund immer ein tiefes Bedürfnis, dass wir uns als wissenschaftliche medizinische Fachgesellschaft unseren Wurzeln bewusst werden und uns damit auch unserer historischen Verantwortung stellen. Die Grundlage dieser Auseinandersetzung war für ihn zum einen immer eine absolute Offenheit gegen-über den Fakten, die im Rahmen der Arbeit der Historischen Forschungsstelle ans Tageslicht befördert wurden. Und zum anderen war es immer die Ehrlichkeit gegenüber sich als Mensch, als Bürger der Bundesrepublik Deutschland und als Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, diese – teils sehr schmerzhaften Fakten – anzuerkennen und unserer Fachgesellschaft so die Chance zu geben, für die Gegenwart und die Zukunft zu lernen.“
Großes Engagement für junge Menschen mit Krebs
Im Rahmen der historischen Aufarbeitung schaute Freund zurück und setzte sich intensiv mit der Vergangenheit auseinander. Gleichsam aber blickte er als Arzt und Mensch auch auf das Jetzt und brachte immer wieder die Notwendigkeit in die Diskussion ein, spezielle Angebote für junge Patienten mit Krebs zu schaffen.
Pro Jahr erkranken etwa 16.500 junge Menschen zwischen 18 und 39 Jahren an Krebs. Für die jungen Patienten bedeutet die Krebsdiagnose einen tiefgreifenden Einschnitt in die gesamte Lebens- und Zukunftsplanung. Plötzlich sehen sich die Betroffenen mit besonderen Problemen und Entscheidungen, auch außerhalb der Krankheit, konfrontiert. Neben der bestmöglichen medizinischen Krebstherapie rücken auch Themen wie Kinderwunsch und Familienplanung, eine mögliche Unterbrechung des Ausbildungsweges oder wirtschaftliche und soziale Notlagen in den Vordergrund. Auch wenn inzwischen fast 80 Prozent der jungen Patienten zwischen 18 und 39 Jahren geheilt werden können, fehlt es doch immer noch an ausreichenden Beratungsangeboten. Freund machte mit dem Terminus „Survivorship“ sowohl in der Fach- als auch in der Laienöffentlichkeit immer wieder auf dieses Problem aufmerksam, und so wurde von der DGHO im Jahr 2014 die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs gegründet.
Dass Freund, der seit Gründung der Stiftung deren Kuratoriumsvorsitzender ist, die dringende Notwendigkeit eines speziellen Angebotes für junge Patienten mit Krebs nicht nur gesehen, sondern auch konkret durch die Gründung der Stiftung umgesetzt hat, verdeutlicht Prof. Dr. med. Diana Lüftner, Vorstand der Stiftung und Chefärztin der Immanuel Klinik Märkische Schweiz, Fachklinik für Onkologische Rehabilitation, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor-Fontane: „Krebs und die damit verbundenen Probleme sind in der Öffentlichkeit oft mit Angst und Sprachlosigkeit und bei den Betroffenen mit Scham und Rückzug verbunden. Einer der größten Erfolge der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist es daher, dass sich junge Erwachsene mit oder nach Krebs durch unsere Arbeit in Treffpunkten an fast 40 Orten in Deutschland zusammengefunden haben und beginnen, selbstbewusst in die Öffentlichkeit zu treten und damit im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar werden. Diese ‚Sichtbarwerdung‘ in der Öffentlichkeit und das Verleihen einer eigenen Stimme wären ohne den unermüdlichen und leidenschaftlichen persönlichen und professionellen Einsatz von Professor Mathias Freund nicht möglich gewesen. Dabei ist es sicherlich einer der größten Erfolge, dass Maßnahmen zur Erhaltung der durch die Krebstherapie gefährdeten Fruchtbarkeit durch ein Gesetz endlich zur Kassenleistung wurden.“
Freund selbst sprach in seiner Dankesrede mit Blick auf sein Leben von einer bemerkenswerten Station auf einer Reise, die er 1968 als protestierender und vorlesungssprengender junger Mann begonnen habe und bei der er auch heute mit fast 73 Jahren noch neugierig sei, wohin sie ihn führe. Er fuhr fort: „Es mag seltsam klingen, aber es gibt eine Parallele zwischen der Aufarbeitung der Geschichte der DGHO und dem Engagement für die jungen Erwachsenen mit Krebs.“ Auf beiden Gebieten gehe es darum, die Fakten schonungslos offenzulegen und so die Grundlage für Sichtbarkeit, Bewusstsein und Änderung zu schaffen. Dies gelte in gleicher Weise für die dunklen Seiten in der Geschichte der Fachgesellschaft wie für die lange übersehenen „langzeitigen Schäden, die der Krebs und unsere Therapie bei den jungen Patientinnen und Patienten hinterlassen, die sozialen Folgen für ihr Leben, die Folgen für Familie, Kinder und Lebensglück“. Für die Fruchtbarkeits-erhaltung junger Patienten mit Krebserkrankungen konnte laut Freund ein erster Erfolg errungen werden; er stellte aber auch fest, dass „wir an vielen anderen Stellen jedoch noch am Anfang stehen“ und forderte die Anwesenden auf, sich weiter zu engagieren.
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