Herz- und Diabeteszentrum NRW: Modulare Schulung für Patienten mit Diabetes
01.10.2012 -
Herz- und Diabeteszentrum NRW: Modulare Schulung für Patienten mit Diabetes. Die Chronizität der Erkrankung Diabetes und die starke Abhängigkeit ihres Verlaufs von Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Bewegung verlangen den Betroffenen ein hohes Maß an Eigeninitiative für ein selbstgesteuertes Krankheitsmanagement ab. Voraussetzung hierfür ist, dass die Patienten über ein hohes Maß an Wissen über die Krankheit sowie die notwendigen Fertigkeiten verfügen, um die Therapie zu managen.
Die Information und Schulung von Patienten und ihren Angehörigen wird deshalb schon lange als notwendiger und effektiver Bestandteil der Diabetestherapie anerkannt und finanziert. Schulungskonzepte für Patienten mit Diabetes sind gerade in den letzten 10 Jahren entscheidend verändert worden, denn um langfristig erfolgreich zu sein, muss Patientenschulung – jenseits der Vermittlung von Wissen – die Alltagsbezüge der Patienten berücksichtigen und Hilfestellung bei der Bewältigung der verschiedensten Anforderungen geben. Faktoren wie Selbstwirksamkeit, Problemlöse- und Bewältigungsstrategien haben einen großen Einfluss auf den Schulungserfolg, deshalb sehen sich moderne Konzepte dem Selbstmanagement- und Empowermentansatz verpflichtet. Eine gute Patientenschulung muss sowohl die didaktisch adäquate Vermittlung von Informationen als auch Elemente des aktiven, problembasierten Lernens und der Kompetenzentwicklung enthalten. Seit 2003 werden Patienten mit Typ-2-Diabetes, die einen Großteil der Betroffenen ausmachen, im Rahmen von Disease-Management-Programmen (DMP) behandelt. Sie werden primär vom Hausarzt versorgt, bei gegebener Indikation an Diabetesschwerpunktpraxen verwiesen und nur bei besonderen Komplikationen (z.B. Wundheilungsstörungen, Komorbidität, Hypoglykämieproblemen, Stoffwechselentgleisungen usw.) stationär aufgenommen. Darüber hinaus werden auch Menschen mit Typ-1-Diabetes zunehmend in Diabetesschwerpunktpraxen betreut und über Therapiemaßnahmen informiert. Dies hat zur Folge, dass Patienten, die in Diabeteszentren behandelt werden häufig:
- bereits eine Schulungsmaßnahme durchlaufen haben und somit spezielle Fragen zur Umsetzung der Behandlung im Alltag stellen
- multimorbide Krankheitsbilder aufweisen
- differenzierte Diagnostik und Therapie benötigen
- mehr als nur eine ausschließliche Diabetesschulung benötigen
- nicht selten unter kognitiven Defiziten leiden, die eine individuelle Betreuung erfordern
- von der Einbeziehung ihrer Angehörigen in die Schulung profitieren
- keine homogene Gruppe bilden und nicht problemlos in Kurse integriert werden können.
Die Einführung der DRGs (Diagnoses Related Groups) im deutschen Krankenhauswesen führt zudem zu einer Verkürzung der Verweildauer des Patienten. Diagnostik, Therapie und Edukation müssen in einem kurzen Zeitraum durchlaufen werden, so dass herkömmliche Gruppenschulungen nicht mehr durchführbar sind. Diese veränderten Rahmenbedingungen machen eine multiprofessionelle Betreuung notwendig, die im stationären Rahmen nur durch die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen (Diabetes- und Ernährungsberaterinnen, Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeiter, Ärzte) in einem Team ermöglicht werden kann.
Idealerweise sollte der Patient entsprechend seinem konkreten Wissensstand, seinem spezifischen Krankheitsstatus und seiner individuellen Problemlage geschult werden, zudem ist gerade bei Typ-2-Diabetes auf die spezifischen Bedürfnisse multimorbider älterer Patienten zu achten. Alle diese Gegebenheiten machen eine Neuentwicklung der stationären Diabetesschulung zwingend erforderlich. Der veränderten Bedarfssituation gerecht zu werden, bedeutet ein neues, individualisiertes, patientenorientiertes Schulungskonzept zu entwickeln: Bei Aufnahme der Patienten ist eine Anamnese nicht nur in medizinischer Hinsicht, sondern auch bezüglich der individuellen Problemlage, des Schulungsstandes sowie eventueller kognitiver Defizite unerlässlich. Ein kurzes, strukturiertes Interview, welches gezielt die Ressourcen und Defizite des Patienten erfasst, kann helfen, diese Beratung patientengerecht im Akutkrankenhaus einzusetzen. Erfolgt gerade am Beginn einer Behandlung eine fundierte Anamnese, vermeidet man eine Überforderung der Betroffenen und kann andererseits gezielt auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten eingehen: ihn bedarfsorientiert Schulungsmodulen zuweisen. Module über 60 Minuten sowie Kurse und Angebote zu speziellen Themen bieten die Möglichkeit, für jeden Patienten einen individuellen Schulungscode zu definieren.
So wird Patienten das Angebot gemacht, gezielt einzelne Schulungsmodule zu besuchen, die an den für sie erforderlichen Problemschwerpunkten ansetzen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, auch an kompletten Kursen zu besonderen Themen wie z.B. Hypoglykämiewahrnehmungsproblematik, Insulinpumpenschulung oder Raucherentwöhnung teilzunehmen. Das bietet die Möglichkeit, Angehörige mit einzubeziehen und fremdsprachige Teilnehmer in ihrer Muttersprache zu unterrichten, für Gehörlose kann ein Gebärdendolmetscher hinzugezogen werden. Individualisierung von Therapieangeboten bedeutet auch die Vermittlungsform von Informationen an die Bedürfnisse der Adressaten anzupassen. Personenbezogene Schulungen in Einzelgesprächen oder Gruppenschulungen, schriftliche Handouts, interaktive Lernprogramme am Computer (und im Internet), Patienteninformationszentren bieten eine Vielfalt an Möglichkeiten, um Betroffenen Lerninhalte zu vermitteln oder sich diese selbst erarbeiten zu lassen.
Um einen optimalen Einsatz dieser unterschiedlichen Medien und Lehr- und Lernformen gewährleisten zu können, bedarf es jedoch einer Klärung der Frage, welche Patientengruppen auf welche Medien und Materialien besonders stark oder eher wenig ansprechen. Hierbei muss auch und besonders geprüft werden, inwieweit neue Medien zukünftig verstärkt zum Einsatz kommen können. In Diabeteszentren werden, anders als in einem regionalen Krankenhaus, Menschen aus einem großen Einzugsgebiet behandelt, so dass die zurückzulegende Wegstrecke für die einzelnen Patienten steigt. Deshalb wird zukünftig die Möglichkeit bestehen, das Gelernte am Computer nachzuvollziehen und weiterzuentwickeln, oder auch Patienten telemedizinisch und telefonisch zu betreuen.