Gesundheitsökonomie

Top oder Flop – Zehn Kriterien entscheiden über den Erfolg eines MVZ

Erfolgreiches Agieren Medizinischer Versorgungszentren im Bereich der ambulanten Patientenversorgung

08.10.2010 -

Medizinische Versorgungszentren (MVZ), häufig in Trägerschaft von Kliniken, haben erkannt, dass sich durch eine gebündelte Patientenversorgung unter einem Dach Patienten unterschiedlichster Bedürfnisse optimiert ansprechen lassen. Mit einem zufriedenen Patientenstamm, der sich dadurch einstellt, lässt sich auch erfolgreich wirtschaften.

Allerdings müssen zur Realisierung dieses Ziels möglichst von Anfang an die Weichen auf vielen Gebieten richtig gestellt und nichts dem Zufall überlassen werden. Um mögliche Wettbewerbsvorteile für eine verbesserte Patientenversorgung zu nutzen, gilt es daher z.B., verstärkte Anstrengungen zu unternehmen und sich beim „Kunden" gut zu positionieren („was für wen").

Das Klinikum Ingolstadt als Träger des MVZ Klinikum Ingolstadt nahm diese Herausforderung an und verwirklichte ein gemeinsames Projekt mit dem Institut für Angewandte Forschung der Hochschule Ingolstadt.
Zehn Erfolgsfaktoren für ein Medizinisches Versorgungszentrum
Die Ausgangsfrage „Top oder Flop - Welche Kriterien entscheiden über den Erfolg eines MVZ?" wurde auf Grundlage von aufwendigen Datenanalysen mehrerer medizinisch und ökonomisch erfolgreich agierender MVZ beantwortet. Die entscheidenden zehn Erfolgsfaktoren für erfolgreiches Agieren lauten demnach:

  1. Mit der Etablierung von mindestens fünf Fachrichtungen in einem MVZ kann die Versorgung auch komplexer Krankheitsbilder und multimorbider Patienten sichergestellt werden.
  2. Die Integration eines Hausarztes in ein MVZ als Drehscheibe der Patientensteuerung kann die MVZ-internen Zuweisungen je nach Fachrichtung zwischen 15% und 30% p. a. erhöhen.
  3. Die Konzentration auf spezifische Indikationen, welche von den Niedergelassenen nicht ohne Weiteres bedient werden können, mildert von Anfang an den Konkurrenzgedanken bei niedergelassenen Ärzten erheblich und führte bei den untersuchten MVZ auf Basis einer klaren Zielgruppenansprache zur Erhöhung der Patientenfallzahlen, in den untersuchten MVZ von 15 % bis 25 % nach Spezialisierung.
  4. Rasch etablierte Vernetzungen (z.B. Ärztekreis aus MVZ-Ärzten und niedergelassenen Ärzten, Kooperationen mit Selbsthilfegruppen) führen zu einer guten Integration des MVZ in die Versorgungslandschaft in einer Region.
  5.  Mit der Einbindung von ausgewiesenen Spezialisten mit Reputation (z. B. Ärzte mit Dozentenhintergrund) lassen sich vor allem Privatpatienten durch ein MVZ ansprechen.
  6.  Das Angebot eines wohldurchdachten, am medizinischen Schwerpunkt und an der spezifischen Zielgruppe orientierten komplementären Leistungsangebots wie die Integration eines Hörgeräteakustikers oder Physiotherapeuten führte stets zu Erlössteigerungen. Das MVZ-Management sollte sich bei einer Weiterentwicklung des Angebots an den Tatsachen orientieren, dass sich Leistungen des zweiten Gesundheitsmarktes auf dem Vormarsch befinden und die Leistungsvergütung der GKV künftig noch weiter sinken wird.
  7. Professionelle und klar kommunizierte Serviceelemente (z.B. erweiterte Öffnungszeiten und kurze Wartezeiten) dienen der Zufriedenheit und Bindung der Patienten.
  8. Schlanke und effiziente Prozesse (z. B. zentrale Terminvergabe, Nutzen elektronischer Patientendaten) haben neben der Steigerung der Behandlungsqualität nachweislich positive Auswirkungen auf die Kostensituation des MVZ.
  9. Standort und Infrastruktur - wie gute Verkehrsanbindung oder barrierefreier Zugang - sind oft die ersten Entscheidungskriterien für Patienten.
  10. Schulungen und die Motivation des nicht-ärztlichen Personals korrelieren positiv mit Zufriedenheit, Wiederbesuch und Weiterempfehlungsbereitschaft von Patienten.

Fallstudie MVZ Klinikum Ingolstadt
Da die meisten der Erfolgsfaktoren die umfassende Kenntnis über die spezifischen Patientenbedürfnisse implizieren, wurde auch für das MVZ Klinikum Ingolstadt eine repräsentative Patientenbefragung durchgeführt.

Als erstes wichtiges Ergebnis ließ sich nachweisen, dass zu ca. einem Drittel heute bereits Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf die Behandlung durch das MVZ Klinikum Ingolstadt vertrauen. MVZ-Patienten geben nach eigenen Angaben mit 65 € signifikant mehr für Gesundheitsleistungen aus als Nicht-MVZ-Patienten mit 48 €. Diese ausgeprägte Bereitschaft, für nicht erstattungsfähige Gesundheitsleistungen zu bezahlen, eröffnet Perspektiven, das Leistungsportfolio auszuweiten (z. B. Vorsorgeuntersuchungen und Massagen).

Als Grund für die Wahl des MVZ gaben ein Drittel aller befragten Patienten an, wegen der Überweisung ihres Hausarztes entschieden zu haben. Dieser Wert ist im Vergleich zu weiteren erfolgreich agierenden MVZ ohne Integration eines Hausarztes ein zufriedenstellender Wert. Er zeigt, dass die in den Medien diskutierte mögliche starke Ablehnung des MVZ durch die Hausärzte in Ingolstadt nicht zutrifft.

In vielen abgefragten Bereichen wies das MVZ Klinikum Ingolstadt verglichen mit anderen MVZ positive Zufriedenheitswerte auf. Im Vergleich zu den Ergebnissen des Benchmarking-Partners zeigte sich allerdings speziell im Handlungsfeld „Arzt" ein Optimierungsbedarf. So wurde z. B. der „gute Ruf des Arztes" durch die MVZ-Patienten des Benchmarking-Partners hoch signifikant besser bewertet als durch die MVZ-Patienten in Ingolstadt. Auch in puncto „enge Zusammenarbeit der MVZ-Ärzte" ließ sich ein hoch signifikanter Unterschied zugunsten des Benchmarking-Partners erkennen. Dagegen punktete man in Ingolstadt bei wichtigen Erfolgsfaktoren wie Infrastruktur (Erreichbarkeit, Ausstattung, erster Eindruck), Service (Wartezeiten, Terminvereinbarung, Öffnungszeiten, Informationsmaterial).

Mittels der Daten aus der Patientenbefragung ließen sich auf Basis einer Clusteranalyse insgesamt vier Segmente für Ingolstadt herausfiltern. Zwei von ihnen weisen auf Grundlage von Zielgruppenattraktivität (Potential und Profitabilität) und MVZ-Affinität (Patientenzuspruch der Zielgruppe) höchste Potentiale auf:

Die „Arztaffinen mit ausgeprägtem Krankheitsbild", die bereits heute mit 75 % auf die Versorgung des MVZ vertrauen; sie bewegen sich mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von 2.200 € sowie monatlichen Gesundheitsausgaben mit ca. 62 € im Mittelfeld der untersuchten Zielgruppen. Auf Basis der Bewertung der Patienteneigenschaften in diesem Segment sowie einer gründliche Analyse der vorhandenen Kompetenzen im Klinikum Ingolstadt wurde die Konzentration auf die spezifische Indikation Adipositas empfohlen.

Das zweite attraktive Patientensegment sind die „jüngeren Gesundheitsaffinen", die sich aktiv um ihre Gesundheit bemühen: Sie sind mit 13 % überdurchschnittlich oft privat versichert und weisen mit durchschnittlich 2.677 € das signifikant höchste monatliche Haushaltseinkommen auf. Da sich ihr wirtschaftliches Potential sowie ihre Bereitschaft, für Gesundheit selbst zu bezahlen, im Vergleich zu anderen Patientengruppen nicht in den aktuellen Gesundheitsausgaben niederschlägt, ist ein Bemühen des MVZ um diese Patientengruppe mit umfassenden Leistungen des zweiten Gesundheitsmarktes dringend anzuraten.

Erfolgreiche Patientenversorgung
Für ein klug operierendes MVZ ist es absolut nötig, schon bei seiner Einrichtung möglichst viele der genannten Erfolgsfaktoren umzusetzen. Gelingt es zudem, die geeigneten Patientenzielgruppen zu kennen, sich entsprechend ihrer Bedürfnisse zu positionieren sowie eine segmentspezifische Kommunikation aufzubauen, sind wesentliche Grundlagen für eine erfolgreiche Patientenversorgung in einem MVZ gelegt.

Folgen Sie der
Management & Krankenhaus

 

 

MICROSITE Gesundheits-technologie

Lesen Sie hier

MICROSITE Digitale Identität

Lesen Sie hier

Folgen Sie der
Management & Krankenhaus

 

 

MICROSITE Gesundheits-technologie

Lesen Sie hier

MICROSITE Digitale Identität

Lesen Sie hier