Hygiene

Im Fokus: Infektionen im Klinikum

09.09.2010 -

„Wichtig ist es, die Ursache zu finden, nicht um eine Firma, eine Klinik oder einen Menschen anzuprangern, sondern um einen Fehler als solchen zu erkennen, damit künftig besser gehandelt werden kann", Dr. Klaus-Dieter Zastrow, Chefarzt des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Vivantes Kliniken Berlin. Ihm sind die Konsequenzen für die Hygiene im Klinikum wichtig, die sich aus dem Vorfall in der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ereigneten. Im August verstarben hier drei Säuglinge, die wegen ihrer schweren Grunderkrankung intensivmedizinisch betreut wurden. Möglicherweise geschah es im Zusammenhang mit der Gabe einer durch Bakterien verunreinigten Infusionslösung. Nährlösungen werden in der klinikeigenen Apotheke patientenindividuell hergestellt. Wie es zur Verunreinigung kam, ist noch unbekannt (3. September).

M&K: An den Todesfällen in der Mainzer Universitätsmedizin hat die Öffentlichkeit großen Anteil genommen ...

Klaus-Dieter Zastrow: Ja, das stimmt, denn dieser Vorfall zeigt eindringlich, dass Krankenhaushygiene nicht so einfach und banal ist, wie viele Menschen glauben. Bis heute ist die wirkliche Ursache für die Infektionen in Mainz nicht gefunden, und viele Fragen sind offen. Weiterhin zeigt der Mainzer Vorfall, dass Hygienefehler katastrophale Folgen haben können.

Welche konkreten Forderungen an die Politik leitet die DGKH daraus ab?

Zastrow: Krankenhaushygiene muss in Form von Fachpersonal flächendeckend in deutschen Krankenhäusern implantiert werden. Nur durch Ärzte für Hygiene und Hygienefachkräfte gemeinsam kann das Hygienebewusstsein zum medizinischen Personal transportiert und nachhaltig verankert werden. Deshalb muss das Infektionsschutzgesetz ergänzt werden durch die Forderung, dass jedes Krankenhaus Ärzte für Hygiene und Hygienefachkräfte beschäftigen muss.

In diesem Zusammenhang ist auch die Diskussion um bundeseinheitliche Hygienestandards zu sehen. Haben gute Hygienestandards und deren Umsetzung mit Geld zu tun?

Zastrow: Hygienestandards, die bundeseinheitlich Anwendung finden könnten, haben wir ja bereits in Form der RKI-Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Diese sollen ja gar nicht den Status eines Gesetzes erhalten, sondern lediglich als Mindeststandard gelten, damit wir nicht ins Mittelalter zurückfallen.
Mit Geld hat das alles nichts zu tun. Hygiene ist elementarer Bestandteil ärztlichen Handelns, sie ist in jedem Lehrbuch operativer Fachgebiete und in jedem Pflegestandard erwähnt. Nur müssen dort, wo steht „unter sterilen Bedingungen", dann auch sterile Bedingungen sein.

Erneute Kürzungen von 1 Mrd. € sind, laut Deutscher Krankenhausgesellschaft für die nächsten zwei Jahre angedacht: Wie soll eine Klinik sicher geführt werden angesichts der z.B. in der Hygiene nötigen Personalausstattungen, ganz zu schweigen von den Personalkostensteigerungen. Wie sollte eine sichere personelle, räumliche und instrumentelle hygienische Ausstattung aussehen, um Infektionen zu vermeiden?

Zastrow: Nun, zunächst sind das alles nur Annahmen, und niemand weiß, was wirklich kommt, auch die DKG nicht. Gerade die überraschenden Ereignisse der letzten Jahre haben ja gezeigt, wie unvorhersehbar viele Dinge sind. Natürlich wünscht man sich immer mehr Personal. Wichtig ist aber, dass das vorhandene Personal die Hygiene sorgfältig berücksichtigt und so Infektionen vermeidet. Das kann zunächst auch zeitintensiver sein, dann aber wird viel Zeit gespart, da der Patient ohne nosokomiale Infektion „pflegeleichter" als der mit Infektion ist.

Gänzlich beseitigen wird man Infektionen nie ...

Zastrow: ... niemand behauptet, dass alle nosokomialen Infektionen vermeidbar seien, aber bis zu 50% sind sie es schon. Wenn dies gelänge, würde man auch mindestens 1 Mrd. € einsparen ... Kosten für Invalidität, Berufsunfähigkeit, Umschulungen und Berentung, die infolge nosokomialer Infektionen entstehen könnten, sind darin noch nicht enthalten.

Was zu tun ist, um Infektionen zu vermeiden, ist bekannt. Doch knapper Personalstand, Rationalisierungsdruck und hohe Aufgabenfülle erschweren eine fehlerlose Hygiene oft. Ist Refinanzierung der Hygienemaßnahmen und eine bessere finanzielle Abdeckung derselben innerhalb der DRGs das Zauberwort?

Zastrow: Eine fehlerlose Hygiene ist selten unmöglich. Viele Hygienefehler erfolgen ohne Not und ohne Zeitdruck, denn Hygiene fordert häufig nur Sekunden und Sachverstand. Die Kosten für Hygiene sind bereits in den Fallpauschalen integriert, es bedarf keiner zusätzlichen Finanzierung, mit Ausnahme der Ärzte für Hygiene und Hygienefachkräfte. Durch das Vermeiden von Infektionen, kann sich das Krankenhaus selbst belohnen: weniger Infektionen, kürzere Verweildauer, höhere Erlöse, besseres Image und glücklichere Patienten.

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