Hygiene

MRSA als Beispiel: Bestehende Ansätze für Hygienemessung und -transparenz

06.10.2011 -

Die MRSA-Situation in deutschen Krankenhäusern ist derzeit - für wen auch immer - nicht korrekt darstellbar. Eine aktuelle Gesetzesinitiative der Bundesregierung sieht jedoch vor, dass die Hygienequalität in Krankenhäusern durch zusätzliche Informationen in den gesetzlichen Qualitätsberichten ab 2013 transparent wird. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll Indikatoren zum Stand der Hygiene für die einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung entwickeln und implementieren.

Das Nationale Referenzzentrum (NRZ) (www.nrz-hygiene.de) für Surveillance von nosokomialen Infektion hat neben vielen anderen KISS-Modulen (KISS = Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System) im Jahr 2005 das Modul MRSA-KISS kreiert, an dem sich nur 199 (von 2.080) Akutkrankenhäuser beteiligen.

Die in den beteiligten Stationen und Abteilungen erhobenen Daten werden in eine Datenbank eingegeben, regelmäßig dem NRZ übermittelt, analysiert und als Referenzdaten bereitgestellt. So stehen zumindest für 10% der Krankenhäuser Nationale Referenzdaten zur Verfügung. Aus den derzeit zur Verfügung stehenden Daten von 2009 (siehe Tabelle) - in Kürze werden auch die 2010er Daten publiziert - ist ablesbar, dass 20,5% aller MRSA-Fälle nosokomial sind, d.h. im Krankenhaus erworben wurden, jedoch das Vierfache der MRSA-Fälle (79,5%) von außen in die Krankenhäuser mitgebracht wurde. Letzteres wird überwiegend dank eines MRSA-Aufnahmescreenings von Risikopatienten frühzeitig entdeckt.

Wie aus dem NRZ-Modul MRSA-KISS ersichtlich, werden für eine umfassende Beurteilung fünf Faktoren/Parameter berechnet, mit denen dann einerseits der sogenannte MRSA-Import bzw. die MRSA-Last darstellbar sind und andererseits, wie die Krankenhäuser mit MRSA umgehen, d. h. wie viele nosokomiale MRSA-Fälle auftreten.

Das bisherige seit 2009 bestehende MRSA-Erfassungssystem nach § 7 Infektionsschutzgesetz beschränkt sich auf Nachweis von MRSA im Blut und im Liquor, jedoch nicht auf MRSA an anderen Stellen - u.a. Harnwege, Atemwege und Wunden.

Dass nur 10% der deutschen Krankenhäuser daran interessiert sind, valide Daten zu erheben, um sie dann mit den Nationalen Referenzdaten vergleichen zu können, zeigt auf, dass im Rahmen des Qualitätsmanagements die Ergebnisqualität von der Mehrheit der deutschen Krankenhäuser als nicht prioritär angesehen wird.

Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, bereits vorhandene Routinedaten der Krankenhäuser für die Messung von Ergebnisqualität zu nutzen. Dieser Weg wird derzeit erfolgreich von den Krankenhäusern der freiwilligen Initiative Qualitätsmedizin bestritten, indem diese regelmäßig DRG-Routinedaten für sämtliche stationäre Behandlungsfälle auswerten. Ihr Anteil an der stationären Patientenversorgung in Deutschland liegt bei über 11 %. Ausgewertet und veröffentlicht werden derzeit 183 Kennzahlen für 48 Krankheitsbilder und Verfahren:

Um ein einfaches Erfassungssystem für MRSA einzurichten, wurde von IQM im Februar 2011 beim zuständigen Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ein eigenständiger MRSA-Code für den ICD-10 Katalog vorgeschlagen.
www.initiative-qualitaetsmedizin.de/fachkreise/weiterentwicklung/_/¬mrsa.html

Derzeit wird mit dem Code U80.0 nicht MRSA erfasst, sondern nur Staphylococcus aureus, wenn er gegen einige Antibiotika wie Chinolone oder Methicillin/Oxacillin resistent ist. Mit anderen Worten, aus der Kodierung von Antibiotika-resistenten S. aureus ist derzeit nicht ersichtlich, ob und in welcher Anzahl es sich um MRSA handelt. Deshalb wird ein zusätzlicher Code zur Anwendung ab 2012 vorgeschlagen, der nur MRSA betrifft, unterteilt in mitgebracht oder im Krankenhaus erworben (nosokomial) sowie in Besiedlung (Kolonisation) oder Infektion.

Mit einer Realisierung dieses IQM-Vorschlags wäre MRSA über alle Krankenhäuser und damit für ganz Deutschland quantitativ und qualitativ erfassbar, und zwar auch für das Bundesgesundheitsministerium oder den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), sodass dann Maßnahmen ergriffen werden können. Die Realisierung wäre sehr einfach möglich, da bereits heute alle Diagnosen mittels ICD-Codes und mit in den Krankenhäusern vorhandenen Softwareprogrammen verschlüsselt werden.

Aus den MRSA-KISS-Daten des NRZ ist für daran beteiligte Krankenhäuser ersichtlich, dass die MRSA-Raten keineswegs ansteigen, sondern stagnieren bzw. sinken.

Zukünftig könnten für eine effiziente Messung der Hygieneergebnisse die bisher im Rahmen des DRG-Systems erhobenen ICD-Codes nicht nur für MRSA, sondern auch für andere panresistente Erreger (z.B. A. baumannii, P. aeruginosa, S. maltophilia und K. pneumoniae) ergänzt werden, bei denen - im Gegensatz zu MRSA - sogar nur noch 1-3 Antibiotika zur Verfügung stehen.

MRSA wird fälschlicherweise immer mit einer Übertragung gleichgesetzt, genauso entscheidend ist die Vorbehandlung mit Antibiotika, z.B. Chinolonen, die zu einer Selektion von MRSA oder auch anderen Erregern führen können.

Das Dilemma ist nicht allein dem Krankenhaus anzulasten, sondern vielmehr der teilweise ungezielten Antibiotikaverordnung bei banalen bakteriellen Infektionen oder bei viralen Infektionen mit gegen Viren zwecklosen Antibiotika.

Eine zweite Ursache bei der Entwicklung von multi- und panresistenten Erregern liegt in der Veterinärmedizin, hier werden - d. h. nicht beim Menschen - ungezielt Antibiotika zur Tier-Masttherapie eingesetzt, sodass dann der Verbraucher multiresistente Erreger aufnimmt und verbreiten kann. Ein exzellentes Vorgehen gegen solche multi- und panresistente Erreger erfolgt nicht in den Niederlanden - wie in der Öffentlichkeit behauptet -, sondern in Dänemark. Dort wird durch ein gemeinsames Ministerium für Human- und Veterinärmedizin die Antibiotikaresistenz in Grenzen gehalten.

Deutsche Krankenhäuser müssen lernen, für die wichtigsten nosokomialen Infektionen (Harnweg-, Atemweg- und Wundinfektion sowie Sepsis) eine valide Erfassung zu etablieren. Mit den KISS-Modulen konnte seit Beginn des NRZ 1996 gezeigt werden, dass die nosokomialen Infektionen und bestimmte multiresistente Erreger (MRE) reduziert werden konnten, allein schon durch eine kontinuierliche Präsentation der hauseigenen Daten im Vergleich mit den nationalen Referenzdaten auf Intensivstationen, indem die Ursachen erhöhter Raten hinterfragt und evidence-based Infektionspräventionsmaßnahmen, die auch praxisbezogen sind, umgesetzt wurden.

Aus den Ergebnissen ist ablesbar, ob ein Krankenhaus das nosokomiale Infektionsproblem auch bei MRSA bewältigt. Ein Null-Infektionsrisiko in Krankenhäusern gibt es nicht, es sei denn, es wird auf invasive Maßnahmen wie operative Eingriffe oder Injektionen/Punktionen verzichtet. Bei jeder Maßnahme am Patienten, bei der die Haut- oder Schleimhaut-Barriere unterbrochen wird, besteht ein Infektionsrisiko für jeden Patienten, was nicht gänzlich verhindert werden kann. Wie zahlreiche Studien in den USA und in Europa gezeigt haben, sind nur ca. 30% der ca. 500.000-600.000 nosokomialen Infektionen in Deutschland vermeidbar, der Rest entsteht aus patienteneigener Flora.

 

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