MRSA und Personalrisiko – wer sind die Opfer, wer die Täter?
30.08.2011 -
Ob Klinik-Patient oder Mitarbeiter: Beide können „Opfer" oder „Täter" einer MRSA-Übertragung sein. Und natürlich können sie ihre Rollen auch tauschen. Sowohl der Patient als auch das Personal kann zum Überträger oder zum Empfänger der Erreger werden.
Staphylococcus aureus inklusive MRSA haben eine Überlebensfähigkeit von sieben Tagen bis zu sieben Monaten. In Patientenzimmern von MRSA-Trägern kommen MRSA ubiquitär vor. Sie sind am Bett, Nachttisch und Bett-Tisch ebenso zu finden wie auf medizinischen Geräten und Mobiliar, auf dem Fußboden sowie am Heizkörper. Patientennah sind sie jedoch am weitesten verbreitet.
Es verwundert daher nicht, dass einer Studie zufolge bei medizinischem Personal auch ohne direkten Patientenkontakt nach Verlassen des Zimmers zu 40% MRSA an Händen und Kleidung der Personalkraft nachweisbar waren.
Personal als „Täter"
MRSA-positive Beschäftigte tragen den Erreger zu 100% im Nasenvorhof, zu 25% auf der Kleidung und der Körperoberfläche und zu 20% im Rachenraum, wie frühere Untersuchungen gezeigt haben. Doch nur in 20% der Fälle bei nasaler Kolonisation persistierte die Besiedlung mit S. aureus.
Der unbestritten wichtigste Übertragungsweg durch das Personal sind die Hände. Empfehlungen der KRINKO und Informationen des RKI mit unmittelbarem Bezug zu Präventionsmaßnahmen der MRSA-Problematik gibt es reichlich. Doch wie so oft sind es immer noch die Faktoren „Mensch und Mangel" und nicht die Wissenschaft, die eine ungenügende Händehygiene begünstigen.
Dem Einzelnen mangelt es meistens an Ausbildung, Erfahrung und Kenntnis der geltenden Richtlinien und Empfehlungen. Manche zeigen auch eine gewisse Unbelehrbarkeit. In der Gruppe ist es jedoch eher die fehlende Motivation durch Vorgesetzte, das mangelnde Feedback zum Erfolg von Verhaltensänderungen und eine personelle Unterbesetzung.
Personalscreening
Bei einem Nachweis von MRSA bei mehr als zwei Patienten, die in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, ist eine Gentypisierung anzustreben. Zeigt sich eine klonale Identität, sollte ein Screening aller Patienten der Behandlungseinheit sowie des Personals erfolgen, das unmittelbaren Kontakt zu den MRSA-Patienten hatte. Dabei sind die verschiedenen Berufsgruppen (z.B. auch Physiotherapeuten etc.) zu berücksichtigen und eine klare Linie zu ziehen.
Die Untersuchung umfasst Abstriche der Nasenvorhöfe und des Rachens und ggf. von Hautläsionen und soll mit sterilen Abstrichröhrchen erfolgen. Zuständig für die Durchführung ist in der Regel der Betriebsärztliche Dienst.
Screening bei MRSA-Ausbruch
Wichtig ist es, vor Beginn eines Personalscreenings schriftlich festzulegen, wie im Fall eines MRSA-Nachweises vorzugehen ist. Ebenso ist die organisatorische Vorbereitung von Bedeutung. Vorab sollte bestimmt werden, wie und durch wen die notwendigen Informationen erfolgen (z.B. Gesundheitsamt, Arbeitgeber etc.).
Auch die möglichst frühzeitige Absprache mit dem mikrobiologischen Labor ist notwendig.
Bei der Durchführung des Screenings ist darauf zu achten, dass nur Personal mit engem Kontakt zu den Patienten des Ausbruchs untersucht, dies aber möglichst vollständig erfasst wird. Die Abstriche sollen vor Arbeitsbeginn durch unabhängige Untersucher erfolgen - möglichst ohne längere Vorankündigung, um eine „Selbstsanierung" zu verhindern.
Notwendig ist auch die Bildung eines Entscheidungsgremiums, das sich z. B. aus Dienstvorgesetztem, Betriebsarzt, Krankenhaushygieniker, einem Personalrat und einem Vertreter der Personalabteilung zusammensetzt. Das Gremium übernimmt die Information der Mitarbeiter und entscheidet ggf. darüber, ob Betroffene unter bestimmten Auflagen weiter arbeiten können (konsequente Händedesinfektion, Mund-Nasenschutz).
Patientenferner Personaleinsatz - oder gar keiner?
MRSA-Träger unter dem Personal sollten nach RKI-Empfehlungen keine Patienten behandeln oder pflegen. Sie können „bettfern" eingesetzt werden, soweit dies aus organisatorischen Gründen möglich ist. Anderenfalls sollten sie zu Hause bleiben, bis nach drei negativen Abstrichergebnissen aus Nase, Rachen oder der sonstigen Lokalisation ein Wiedereinsatz unbedenklich erscheint. Einzelfallentscheidungen sind bei entsprechender Risikoabschätzung und unter Auflagen und Kontrollen möglich.
Der Mitarbeiter sollte sich bis zu seiner Sanierung auf eine Fortzahlung der Löhne, Gehälter und Bezüge „wie im Krankheitsfall" durch den Arbeitgeber verlassen können. Dazu sind aber verbindliche Vereinbarungen durch Klinikvorstände und Personalräte notwendig.
Sanierungsproblem: „Opfer" Personal
Aus den wenigen Untersuchungen in Deutschland zur Besiedlung des Krankenhauspersonals mit MRSA wurden Trägerschaften zwischen 1% und 5,3% ermittelt. Das entspricht in etwa der Rate wie für Hepatitis C. Während Letztere auch außerhalb des Arbeitsplatzes erworben werden kann, ist dies bei MRSA eher nicht so - und das Risiko einer Kolonisierung und Infektion damit höher.
Zwar stellt dies zunächst für das Personal eine geringere Gefahr dar als eine Hepatitis-C-Infektion. Doch bei einer unzureichenden Sanierung kann das MRSA-Infektionsrisiko auf lange Sicht aufgrund der schlechteren Therapiemöglichkeiten doch problematisch werden, z. B. bei einer Knorpel- oder Knochen-OP (Herz-OP, TEP-Implantation). Auch das steigende Berentungsalter (mehr Grunderkrankungen) und ein erhöhtes Risiko für Familienmitglieder sind zu bedenken.
Weiterhin offene Fragen
Etliche offene Fragen können bislang nur von Fall zu Fall durch die Beteiligten selbst erörtert und beantwortet werden.
- Sollen eine Sanierung bzw. Auflagen bei Personal erfolgen, deren MRSA-Isolat nicht mit dem Ausbruch assoziiert ist?
- Wie lässt sich Effektivität der Sanierung beim Personal erhöhen?
- Wer bezahlt die Sanierungsmaßnahmen (z. B. bei Angehörigen des Personals)?
- Wie ist mit externem Personal zu verfahren?
- Was ist, wenn ein Mitarbeiter das Screening verweigert?
- Wann ist die Grenze bei wiederholt erfolglosen Sanierungsversuchen erreicht?
- Was geschieht mit sanierungsrefraktärem Personal?
- Ist die Schweigepflicht immer ein¬haltbar?
- Ist die Anonymität immer einhaltbar?
- Ist die MRSA-Kolonisation eine „Berufskrankheit"?
Fazit
Die MRSA-Problematik ist nur als Gesamtkomplex aus Antibiotika-Selektionsdruck und Kontaktübertragung zu verstehen. Allein ein konsequentes MRSA-Management mit Screening, Hygienemaßnahmen, Sanierung und kontrolliertem Antibiotika-Einsatz in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens kann eine Eindämmung der MRSA-bedingten Infektionen erreichen.