Neuer Entwurf RiLiBÄK – Interview mit dem BNLD-Vorstand – Teil 2
17.08.2014 -
Neuer Entwurf RiLiBÄK – Interview mit dem BNLD-Vorstand – Teil 2. M & K: Inzwischen ist wieder eine neue RiLiBÄK in Vorbereitung. Welchen Eindruck haben Sie aus Ihrer bisherigen Kenntnis des Entwurfs gewonnen?
N. Gässler: Der neue Entwurf unterscheidet sich grundsätzlich von allen bisherigen Fassungen. Hier handelt es sich nur auf den ersten Blick um eine Fortführung der Richtlinie in der bisherigen Art.
Der bis jetzt bekannt gewordene Entwurf, insbesondere Teil A, ist mit der Akkreditierungsnorm DIN/ISO 15189 weitgehend identisch.
Durch diesen Trick will man erreichen, dass eine DIN-Norm durch Anhängen an die Medizinproduktebetreiberverordnung Gesetzeskraft erlangt.
Es handelt sich faktisch um die Einführung der Akkreditierung in der Labordiagnostik auf kaltem Wege.
Der Richtlinienentwurf enthält darüber hinaus Vorschriften, die über die DIN/ISO 15189 hinausgehen. Er beinhaltet keine Mindestforderungen, sondern Maximalforderungen.
Zusätzlich sind redundante Vorschriften in der Richtlinie enthalten, die bereits in anderen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien niedergeschrieben sind. Solche Doppelregelungen sollten wegen der Unmöglichkeit, sie zeitlich synchron zu aktualisieren, unbedingt vermieden werden.
Weiterer Kritikpunkt ist die Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes, das einem in der Krankenversorgung tätigen Labor zwingend vorschreibt, alle Maßnahmen auf das Notwendige zu begrenzen.
Dies betrifft nicht nur die reinen Kosten der Qualitätssicherung, sondern auch den hohen personellen Zeitaufwand für die sachgerechte Durchführung und Dokumentation der Qualitätskontrolle. Soweit eine Kontroll-, Überwachungs- oder Dokumentationspflicht nicht kostenneutral ist, darf sie nur dann Gegenstand der Richtlinie sein, wenn ihre Wirksamkeit zur Verbesserung der Qualität bewiesen ist.
Diese wissenschaftliche Begründung der Vorschriften galt für die RiLiBÄK 1987. Mit der Fassung von 2001 wurde dieses Prinzip z.B. bei der Festlegung der Messgrößen in den Anlagen 1a bis 1d erstmals verlassen.
Es ist dringend zu fordern, wieder zur Wissenschaftlichkeit zurückzukehren.
M & K: Welche Folgen könnten in der Praxis auf das Labor zukommen?
N. Gässler: Das Dilemma wird sein, dass einerseits harte Forderungen in einer juristisch bindenden Formulierung „muss“ erhoben werden, andererseits die Forderungen so nebulös und tendenziell übersteigert sind, dass der Streit mit den Prüfbehörden vorprogrammiert wäre.
Beispiel ist folgende Forderung: „Für laboratoriumsmedizinische Untersuchungen müssen diejenigen Umgebungsbedingungen festgelegt, überwacht, geregelt und dokumentiert werden, welche die Qualität der Untersuchungsergebnisse beeinflussen können.“
Muss nun jedes Labor klimatisiert werden?
Oder müssen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck permanent gemessen werden? Die Forderung erlaubt beide Lösungsansätze. Soll eine „Kölner Sammlung“ bereits im voraus notwendig werden.
M & K: Konnten Sie Ihre Bedenken bei der Erstellung des Entwurfes vortragen?
N. Gässler: Wir wurden zusammen mit anderen Organisationen aufgefordert, zum Entwurf Stellung zu nehmen. Wir haben dies in umfangreicher Weise getan, mussten jedoch feststellen, dass im Folgeentwurf lediglich Begriffsbestimmungen präzisiert wurden.
Bei einer Anhörung bei der Bundesärztekammer im Herbst letzten Jahres gelang es zwar, einige „praktische Unebenheiten“ zu glätten.
In seinem – aus unserer Sicht übersteigerten – Akkreditierungsanspruch blieb der Entwurf jedoch praktisch unverändert.
M & K: Ist dies nicht im Sinne der Qualität der Ergebnisse zu begrüßen?
N. Gässler: Sicher, Qualität ist für die Richtigkeit eines Analysenergebnisses unabdingbare Voraussetzung. Inzwischen ist jedoch der Begriff „Qualität“ inflationär ausgeufert und wird als Argument für übersteigerte Anforderungen verwendet.
Es gibt heute keine schlechten Laboratorien. In Einzelfällen mag es Defizite geben, aber generell ist der Leistungsstand unserer Laboratorien sehr hoch.
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass der vorliegende Entwurf sehr einseitig die Interessen von Laborleitern vertritt, deren Laboratorien bereits akkreditiert sind.
Dies betrifft nicht nur die im Konkurrenzkampf stehenden großen niedergelassenen Laborarztpraxen, sondern auch die größeren labormedizinischen Institute, z. B. an Universitätskliniken.
Unberücksichtigt bleiben die zahlreichen Laboratorien in Krankenhäusern für die Akut- und Regelversorgung ebenso wie die kleineren Laborpraxen. Solche Laboratorien haben häufig ebenfalls Qualitätsmanagement-Systeme eingeführt, die jedoch die hohen Anforderungen der neuen „RiLiBÄK“ Anlage A nicht erfüllen könnten.
M & K: Wie ist Ihre Prognose?
N. Gässler: Würde der bislang bekannte Entwurf verabschiedet, wäre das Sterben kleinerer und mittelgroßer Laboratorien vorprogrammiert. Bislang handelt es sich noch um einen Entwurf.
Wir, die BNLD, plädieren dafür, den allgemeinen Teil A der Richtlinie abzutrennen und als Leitlinie zu publizieren. Teil B des Entwurfs sollte wie bisher zur Regelung der Ringversuche an die MPBetreibV angehängt werden.
Wir glauben, dass diese Lösung alle Beteiligten zufrieden stellen kann. In dem bisher bekannt gewordenen Teil B 1 ist eine deutliche Verschärfung der tolerierten Grenzen für die Unpräzision und Unrichtigkeit vorgeschlagen.
Grundlage dieses Vorschlages ist die Anwenderbefragung der Ringversuchsteilnehmer. Es sollte jedoch nicht das technisch machbare sondern die medizinisch Notwendigkeit im Vordergrund stehen.
Ich persönlich bin nach wie vor zuversichtlich, dass bei der Ausgestaltung solcher Normen und Vorschriften auch in Zukunft Vernunft und Praktikabilität siegen werden.
Das heißt: Der jetzige Entwurf wird als neue Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien (2006) so nicht kommen!
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Norbert Gässler
St. Bernward Krankenhaus
Zentrum für Labordiagnostik
D-Hildesheim
Tel.: 05121/90-1681
Fax: 05121/90-1694
labor@bernward-khs.de
www.bernward-khs.de