Radiologenarbeitsplatz am iPad
27.09.2012 -
Mit dem Informationszeitalter kommt die Datenflut, die es zu strukturieren gilt. Das ist in der Medizin ebenso notwendig wie in vielen anderen Bereichen. Medico, ein Anwendungsszenario des IT-Forschungsprogramms Theseus, das das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) fördert, schafft dank semantischer Technologien Abhilfe.
Das Ziel: Ärzte erhalten neue Möglichkeiten der Befundung und der Datenarchivierung, vor allem für den Bereich bildgebender Verfahren wie Ultraschall oder Computertomografie. Die jüngste Entwicklung des Projektes ist der Radiologenarbeitsplatz am iPad. Mit ihm können Radiologen in einem mobilen Umfeld Befunde erstellen. Diese Innovation sowie alle weiteren im Rahmen von Medico entstandene Arbeiten werden in einer ca. sechsmonatigen klinischen Studie am Universitätsklinikum Erlangen evaluiert.
„Bildgebende Verfahren bilden eine wichtige Grundlage für Diagnose und Therapie, da sie die Früherkennung von Krankheiten und somit eine zielgerichtete Behandlung ermöglichen. Dennoch liegen die dabei entstehenden Datenmengen, wie Texte, Bilder und Labordaten, bislang nur dezentral und unstrukturiert in den einzelnen Krankenhäusern vor.
Vergleiche von Krankheitsverläufen beispielsweise werden so aufgrund knapper Ressourcen oft vermieden oder gar unmöglich", sagt Dr. Sascha Seifert, Siemens, und Leiter des Anwendungsszenarios Medico. „Wir entwickeln daher Verfahren, die nicht nur anatomische Strukturen wie Knochen, Gefäße oder Organe erkennen, sondern auch Vergleichsbilder und Behandlungsberichte aus Datenbanken zusammentragen und diese Daten katalogisieren."
Der Computer lernt dabei, Bilder eigenständig zu interpretieren, Ähnlichkeiten zu erkennen und sie in einen sinnvollen Zusammenhang mit Textinhalten zu setzen. Ziel ist es, krankhafte Veränderungen frühzeitig zu bemerken.
Befundung wird mobil
Der Demonstrator „Radiologenarbeitsplatz am iPad" zeigt eine der technologischen Medico-Neuerungen. Mittels intuitiver Eingabemöglichkeiten wie Sprache oder Multitouch wird die Bearbeitung und Kennzeichnung radiologischer Aufnahmen möglich - alles auf dem mobilen Endgerät. Die Befundung wird so raum- und zeitunabhängig. Möglich machen dies Technologien aus dem Theseus Forschungsprogramm wie ein semantisches Dialogsystem in Form einer multimodalen, intelligenten Benutzerschnittstelle. Außerdem basiert der Radiologenarbeitsplatz auf Medizintechnologien wie beispielsweise automatischen Organdetektoren. Der Benutzer kann so einen Bildbefund mittels Sprache festlegen, indem er beispielsweise sagt: „Markiere eine Auffälligkeit des Lymphknotens hier", und die Software ordnet die komplexe Beschriftung der richtigen Stelle auf dem Computertomografie-Bild zu.
Zudem sind der schnelle und einfache Austausch mit Experten und der Zugriff auf frühere Befunde, klinische Studien und Erfahrungswerte anderer Kollegen möglich. Der Radiologenarbeitsplatz am iPad wird den Klinikalltag vereinfachen und somit wertvolle Zeit und Kosten sparen. Damit die technologische Innovation sowie die weiteren Arbeiten des Anwendungsszenarios MEDICO möglichst bald Produktreife erlangen, testet das Radiologenteam um Prof. Cavallaro sie im Rahmen einer klinischen Studie am Universitätsklinikum Erlangen. Das Forscherteam des DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) und Siemens erhoffen sich davon die Überprüfung der Praxistauglichkeit und der Integrationsfähigkeit in die technische Klinik-Infrastruktur sowie die Untermauerung des Mehrwertes für die Praxis.
Medico ist ein Anwendungsszenario, das im Rahmen des Theseus Forschungsprogramms entwickelt wird. Das vom BMWi initiierte Programm hat das Ziel, den Zugang zu Informationen zu vereinfachen, Daten zu neuem Wissen zu vernetzen und die Grundlage für die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Geschäftsmodelle im Internet zu schaffen. Rund 60 Forschungspartner aus Wissenschaft und Wirtschaft entwickeln unter dem Dach von Theseus neue Technologien für das Internet der Dienste.
„Der Radiologenarbeitsplatz am iPad ist eines der konkreten Ergebnisse, die Theseus bereits hervorgebracht hat", sagt Dr. Daniel Sonntag vom DFKI, der das Medico-Teilprojekt RadSpeech leitet, in dem der Demonstrator entwickelt wurde.