Neue Ära mit Omics-Analyse und Big Data
18.09.2017 -
Wie in vielen medizinischen Disziplinen, so ist auch in der Laboratoriumsmedizin in den letzten Jahren ein rasanter Wandel zu beobachten. Die aus unseren klassischen bioanalytischen Untersuchungen mit Methoden der klinischen Chemie, Hämatologie oder Mikrobiologie generierten Informationen über die uns anvertrauten Patienten waren in Diagnostik, Therapiemonitoring und Prognostik längst zu einem vertrauten, geschätzten und integralen Teil der Krankenversorgung geworden. Die jüngsten Errungenschaften auf dem Gebiet der „Omics“-Analytik lassen uns jedoch in eine neue Ära eintreten. Das bislang vorwiegend auf Vergleichsstudien zwischen „Gesunden“ und „Kranken“ basierende eher grobe Raster der Referenzintervalle, geeignet für große Gruppen, wird nach und nach durch eine sehr viel detailliertere, auf immer kleinere Kollektive oder sogar einzelne Individuen gerichtete Diagnostik ergänzt werden.
Es liegt auf der Hand, dass auf diese Weise der Wissenszuwachs auch in unserem Fachgebiet ein unvorstellbares Ausmaß erreicht. Ist zur Beurteilung einzelner numerischer oder qualitativer Resultate von Laboratoriumsuntersuchungen noch die persönliche Expertise des Laborarztes oder Klinischen Chemikers gefordert, so ist die Befundung großer Datenmengen, wie sie in Proteom-, Metabolom- oder Ganzgenom-Analysen erhalten werden, nur mithilfe einer eigenen Kunst, der Bioinformatik, möglich. Diese nutzen zu können, erfordert eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit, die glücklicherweise bereits reichlich Früchte getragen hat.
Zwei weitere Faktoren bestimmen die Richtung, in der sich auch unser Fach in naher Zukunft weiterentwickeln wird. Zum einen ist dies die zeitliche Dimension – aus den Laboratorien stammende Informationen sollen immer schneller und immer umfassender zur Verfügung stehen, damit therapeutische Maßnahmen, die von ebendiesen Ergebnissen abhängen, keine Verzögerungen erfahren. Zum anderen resultieren die stets knappen Ressourcen, besonders in der stationären Krankenversorgung, in einem Zwang zu einer ständigen steigenden Effizienz hinsichtlich der aufgewendeten Kosten. Zahlreiche teils sehr unterschiedliche Ansätze versuchen dieser Entwicklung Rechnung zu tragen – von der Konsolidierung von Laboratorien über hochintegrierte Plattformen der Präanalytik, Analytik und Postanalytik bis hin zu POCT-Systemen oder Sensor-vermittelter Analytik.
Molekularbiologische Verfahren, die wir in unseren Laboratorien schon seit vielen Jahren als diagnostisches Werkzeug verwenden, sind gerade dabei, ihren Weg in die Therapie genetisch bedingter Erkrankungen zu finden – befinden wir uns hier an einem ähnlichen Punkt wie die bis dato rein diagnostisch tätigen radiologischen Kollegen bei der Einführung der bildgesteuerten Interventionen? Ist „interventionelle Laboratoriumsmedizin“ ein Hirngespinst? Andererseits werden uns lang vertraute Analysentechniken wie etwa die Massenspektrometrie längst außerhalb des klinisch-chemischen Kerngebiets in der diagnostischen Routine angewendet und haben konventionelle Methoden abgelöst – dass man mithilfe der Massenspektrometrie Bakterien identifizieren wird, hatte bis vor einigen Jahren niemand für routinefähig gehalten.
Einen Ausschnitt aus diesem hier skizzierten großen Bogen und dem Spannungsfeld, das unser Fach kennzeichnet, will das in Zusammenarbeit mit den Kollegen der niederländischen Schwestergesellschaft NVKC zusammengestellte Programm der 14. Jahrestagung der DGKL unter dem Motto „Laboratoriumsmedizin – von ,Omics‘ und ,Big Data‘ zur Grundversorgung“ präsentieren, mit reichlich Gelegenheit, alle diese Entwicklungen im Kreise der Kollegen zu diskutieren. Es ist meinen Mitarbeitern und mir eine große Freude, Sie dazu ganz herzlich in Oldenburg willkommen zu heißen, der Universitätsstadt mit der jüngsten Medizinischen Fakultät in Deutschland, deren erste Absolventen bald ihre ärztliche Tätigkeit aufnehmen werden. Lassen Sie sich vom Charme dieser kleinen norddeutschen Großstadt und ihrer Umgebung begeistern, in der es in Kultur, Freizeit und Wissenschaft viel zu entdecken gibt.