Medizin & Technik

Brustkrebs-Screening mittels 3-D-Mammografie

Tomosynthese in der Früherkennung

15.05.2019 -

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Welche Möglichkeiten der Mammadiagnostik bestehen und welche Rolle dabei die Früherkennung durch Tomosynthese spielt, erläutert Dr. Claudia Kurtz, leitende Ärztin für Mammadiagnostik am Luzerner Kantonsspital.

M&K: Ist eine 3-D-Mammografie/Tomosynthese in der Früherkennung sinnvoll? Welche Vorteile für die Patientin kann eine solche Untersuchung im Falle eines malignen Befundes bringen?

Dr. Claudia Kurtz: Vorgängige Studien konnten unterschiedliche Vorteile zeigen. Dies hängt unter anderem von den Screening-Kriterien ab und der Art und Weise, wie die Tomosynthese in einem Land eingesetzt wird. So wird in den USA z. B. ein jährliches Screening durchgeführt – bei im Allgemeinen relativ hohen Recall-Raten von bis zu 12 %. In Europa und insbesondere den skandinavischen Ländern hingegen wird nur alle zwei Jahre ein Screening durchgeführt, bei einer Recall-Rate von nur 2 bis 3,5 %, wie z. B. in Schweden. Der Vorteil der Tomosynthese spiegelt sich daher in den USA vor allem in einem signifikanten Rückgang der Recall-Raten wider. So zeigte eine Studie von Aujero einen Rückgang von 8,7 % bei alleiniger 2-D-Mammografie- Betrachtung und auf 4,3 % bei Betrachtung von Tomosynthese zusammen mit dem synthetischen Bild. Das ist ein aus einem Tomosynthesedatensatz rekonstruiertes Bild, mit dem Ziel, die normale 2-D-Mammografie zu ersetzen. Die Recall-Raten sind in Europa innerhalb des Screenings bereits relativ niedrig, daher resultieren andere Effekte aus dem Tomosynthese-Einsatz. Aus dem Tommy-Trial in England ergab sich z. B. eine signifikant höhere Spezifität von 72 % bei Tomosynthese mit synthetischem Bild gegenüber der alleinigen 2-D-Mammografie mit nur 57 %, bedingt durch weniger falsche positive Befunde infolge des Tomosynthese- Einsatzes. Zudem finden sich in europäischen Studien, z. B. dem italienischen STORM-2 Trial, signifikant höhere Carzinom-Detektionsrate durch die Tomosynthese: Von 6,3 entdeckten Carzinomen pro 1.000 2-D-Mammografien ergab sich ein Anstieg auf 8,8 Carzinome pro 1.000 Tomosynthesen mit synthetischem Bild. Eine kürzlich durchgeführte Studie von Zackrisson aus Schweden konnte zeigen, dass eine 1-Ebenen-Tomosynthese gegenüber der 2-Ebenen-Mammografie sogar eine höhere Sensitivität hatte – 81,1 % versus 60,4 % bei weitgehendem Erhalt der Spezifität von 97,2 % bzw. 98,1 %. Wir haben in der Zentralschweiz kein Screening, dennoch ergeben sich enorme Vorteile. Wie bereits erwähnt, erhält jede Patientin bei uns eine Tomosynthese, jedoch nicht in beiden Ebenen, sondern nur in einer Ebene. Die zweite Ebene wird als konventionelle Mammografie in FFDM-Technik, d. h. Full-Field-Digital-Mammography, durchgeführt. Dadurch sehen wir sehr häufig, dass sich ein Brustkrebs nur in der Tomosynthese abbildet und nicht in der konventionellen FFDM. In diesen Fällen würde der Brustkrebs ohne Tomosynthese-Einsatz wahrscheinlich erst in späteren Jahren, also in einem höheren Tumorstadium entdeckt werden. Zudem benötigen wir durch die primäre Tomosynthese weitaus weniger Zusatzaufnahmen, da das Gewebe nahezu überlagerungsfrei dargestellt wird. Sollte es dennoch unklare Befunde geben, wird auch die zweite Ebene als Tomosynthese durchgeführt – entweder, wenn die Patientin noch anwesend ist, oder, in wirklich seltenen Fällen, durch erneute Einbestellung.

Wie verändern die Verfahren die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der präoperativen Planung?

Kurz: Dies ist vergleichbar mit dem MRT der Brust. Es ist eben gerade umgekehrt, als es häufig dargestellt wird. Viele sind der Ansicht, es sei besser, eine weniger präzise Bildgebung präoperativ durchzuführen, da weniger potentiell maligne Befunde detektiert werden und damit eine einfachere präoperative Planung einhergeht. Wenn sich dann, wie es häufig der Fall ist, postoperativ ein Tumorbefall am Präparatrand ergibt, wird eine Nachresektion vorgenommen, eventuell auch eine zweite. Wenn dann immer noch Tumoranteile am Präparatrand vorliegen, endet die Behandlung meist in einer Mastektomie – einer kompletten Entfernung der Brust. Durch eine präzise präoperative Planung erreicht man das Gegenteil. Auch wenn mehr Tumor-Läsionen durch die Tomosynthese gefunden werden, kann viel gezielter eine Drahtmarkierung für den Operateur durchgeführt werden. Die Tumore können präziser exzidiert werden, und es ergibt sich weniger häufig ein Befund mit „Tumorbefall am Präparatrand“. Wir haben an unserem Institut eine sehr niedrige Nachresektionsrate von 5,5 %. Gleichzeitig kommen wir durch die akribische präoperative Planung viel häufiger in eine Situation, in der letztendlich die Brust erhalten werden kann. Und dies wohlgemerkt in einer Nicht-Screening-Region, in der wir tendenziell ausgedehnter Carzinome sehen als in Screening-Regionen.

Wie wirkt sich das Erstellen mehrerer Schnittbilder auf die verabreichte Strahlendosis aus?

Kurz: In der Anfangsphase der Tomosynthese wurde die Tomosynthese zusätzlich zur normalen FFDM in zwei Ebenen durchgeführt. Demgemäß ergibt sich eine höhere Strahlendosis. Zwischenzeitlich sind synthetische Aufnahmen, rekonstruiert aus dem Tomsynthesedatensatz, als Vergleichsaufnahme zur vorherigen 2-D-Mammografie entwickelt worden. Diese C-VIEW, mit neuerem Detektor auch Intelligence 2-D genannt, ist bei Hologic als Ersatz für die FFDM-Aufnahme FDA-zugelassen. Durch die alleinige Anwendung der Tomosynthese, bei gleichzeitiger Generierung synthetischer Aufnahmen und dem Verzicht auf FFDM-Aufnahmen, kann die Strahlendosis reduziert werden. Unabhängig davon ergibt sich folgender Aspekt: Wenn die Tomosynthese mit einer konventionellen FFDM verglichen wird, hängen die Dosisunterschiede in entscheidendem Ausmaß von der Kompressionsdicke und der Brustdichte ab. In einer kürzlichen internationalen Studie von Gennaro, die ungefähr 5.000 Mammografien umfasst, ergab sich ein durchschnittlicher Anstieg der Strahlenbelastung durch die Tomosynthese von 38 % (Range 0 bis 75 %). Dies sind im Grunde genommen sehr geringe Dosissteigerungen, die biologisch gesehen irrelevant sind, aber klinisch gesehen einen erheblichen Vorteil mit sich bringen.

Zur Person
Dr. Claudia Kurtz leitet in der Funktion als leitende Ärztin der Radiologie die Mammadiagnostik innerhalb des Kantonspital Luzern sowie innerhalb zweier assoziierter Praxen. Die Mammadiagnostik ist am Luzerner Kantonsspital in ein Brustzentrum eingebunden und damit hauptverantwortlich für alle interventionellen respektive präoperativen Brustabklärungen der gesamten Zentralschweiz. Dr. Kurtz hat die Präsidentschaft der Schweizer Arbeitsgruppe für Brustinterventionen MIBB (Minimal Invasive Breast Biopsies) und in dieser Funktion mehrfach zu (inter-)nationalen Guideline Entwicklung beigetragen. Neben der Organisation von Ausbildungs- und Kongressveranstaltungen der MIBB ist sie an vielen weiteren internationalen Lehrveranstaltungen zu sämtlichen Themen der Brustdiagnostik beteiligt

 

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