Medizin & Technik

Laserlicht für die Bildgebung

16.10.2015 -

Physiker der Ludwig-Maximilians-Universität und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik haben eine Lichtquelle entwickelt, aus der harte, brillante Röntgenstrahlung erzeugt wird.

Mit Hilfe von Laserlicht werden so erstmals kleinste Strukturen in Materie sichtbar.

Seit rd. 110 Jahren verlässt sich die Medizin auf Röntgenstrahlung und damit auf das Prinzip der Röntgenröhre. Ihr Hauptnachteil ist die schlechte Bündelung der emittierten Strahlung, d. h., sie kommt aus einer großen Quelle, wird in alle Richtungen emittiert und hat ein breites Energiespektrum. Das führt bei der Bildgebung zu relativ schlechter Auflösung feiner Struktur- und Gewebeunterschiede. Bessere Auflösung erzielen Synchrotron-Röntgenquellen, deren Dimensionen und Kosten den Einsatz im Krankenhaus verhindern. Doch es gibt eine Alternative: Denn ähnlich gut wie Synchrotron-Strahlung, aber ungleich kompakter, geht es mit Laserlicht: Es beschleunigt Elektronen und zwingt sie auf Wellenbahnen. Aus den Bewegungen gewinnt man harte und gleichzeitig brillante Röntgenstrahlung und macht damit kleinste Details in Materie sichtbar. Das ist jetzt Physikern des Labors für Attosekundenphysik (LAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) gelungen. Die Forscher haben diese Röntgenstrahlung mit Hilfe von Laserlicht in verschiedenen Wellenlängen und mit extrem kurzer Dauer produziert, je nach den Bedürfnissen für die Anwendung. So können nun Strukturen in Materialien aufgefunden werden, die nur wenig mehr als 10 Mikrometer groß und unterschiedlich zusammengesetzt sind. Daraus ergeben sich viel versprechende Perspektiven in den Materialwissenschaften, der Biologie- und vor allem der Medizin.

Will man kleinste Strukturen in Materie sichtbar machen, braucht man ein Licht, das kurze Wellenlängen besitzt und über eine hohe Brillanz verfügt. Brillante Strahlung bündelt viele Photonen (Lichtteilchen) gleicher Wellenlänge auf engstem Raum in kürzester Zeit. Harte Röntgenstrahlung ist dafür das Licht der Wahl, da es Materie durchdringt und über Wellenlängen von wenigen Hundertstel Nanometern verfügt. Harte und gleichzeitig brillante Röntgenstrahlung wird heute in großen und teuren Beschleunigeranlagen produziert. Doch es geht Platz sparender und billiger, nämlich mit Licht.

Einen großen Schritt auf diesem Weg in die Zukunft hat ein Team vom Labor für Attosekundenphysik der LMU und des MPQ zurückgelegt. Die Physiker um Prof. Stefan Karsch und Dr. Laszlo Veisz haben harte, brillante Röntgenstrahlung mit Hilfe von Licht erzeugt. Ihre Wellenlänge ist zudem anpassbar auf die Bedürfnisse ihrer Anwendung.

Die Wissenschaftler schickten Laserpulse von rund 25 Femtosekunden Dauer und einer Leistung von 60 Terawatt (6 x 1.013 Watt) auf Wasserstoffatome. Zum Vergleich: Ein Atomkraftwerk produziert gerade mal 1.500 Megawatt (1,5 x 109 Watt). Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde. Dabei lösten die elektrischen Felder des Lichts die Elektronen von den Atomkernen, so dass ein Plasma entstand, und räumten sie wie ein Schneepflug aus dem Weg. Übrig blieben die Ionen, die um einiges schwerer sind als die Elektronen. Die Trennung der Ladungen bewirkt sehr starke elektrische Felder, die dazu führen, dass die weggeräumten Elektronen wieder zurückfedern und zu schwingen anfangen, was die Ausbildung einer Wellenstruktur in Plasma zur Folge hat. Diese läuft dem Laserpuls mit fast Lichtgeschwindigkeit hinterher, ähnlich wie die Kielwelle eines Bootes auf der Wasseroberfläche. Einige der freien Elektronen werden eingefangen und reiten auf ihr ähnlich wie Surfer in der Brandung, wobei sie immer in Richtung des Laserpulses fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden.

Sobald die Elektronen ihre maximale Geschwindigkeit erreicht haben, treffen sie frontal auf einen gegenläufigen Lichtpuls. Dessen elektrische Felder in Wellenform zwingen die Elektronen auf einen ebenso wellenförmigen Schlingerkurs, wobei sie senkrecht zur Flugrichtung beschleunigt und wieder abgebremst werden. Das System nennt man optischen Undulator. Die Teilchen senden dabei brillante Röntgenstrahlung aus, die eine Wellenlänge von bis zu 0,03 Nanometer hat. Zudem konnten bei diesen Experimenten zum ersten Mal die Oberschwingungen der Elektronenbewegung im Lichtfeld direkt im Röntgenspektrum sichtbar gemacht werden, was an Beschleunigeranlagen immer wieder versucht wurde.

Im Vergleich zu bisherigen Röntgenquellen bietet das System einen großen Vorteil: die Durchstimmbarkeit der emittierten Wellenlänge über einen großen Bereich, die Wellenlänge ist also veränderbar. Daraus ergibt sich zum Beispiel in der Medizin die Möglichkeit, verschiedene Arten von Gewebe genau zu analysieren. Denn je feiner abgestimmt die Röntgenstrahlung ist, desto genauer werden die Informationen, die man gewinnt.

Doch das ist noch nicht alles: Denn nicht nur durch die abstimmbare Wellenlänge und hohe Brillanz gewinnt die lichtgetriebene Strahlung an Qualität, sondern auch durch ihre gepulste Form. Denn aus den Femtosekunden-langen Laserpulsen entstehen rund fünf Femtosekunden lange Röntgenpulse. Daraus werden sich neue Anwendungen ergeben, wie z. B. zeitaufgelöste Spektroskopie zur Untersuchung ultraschneller Vorgänge im Mikrokosmos. Noch verfügt die neue Lichtquelle nicht über eine genügend hohe Intensität, also nicht genügend Lichtteilchen pro Puls. Die Pulse mit mehr Lichtteilchen anreichern werden die Physiker nun im neuen Centre for Advanced Laser Applications CALA, das gerade auf dem Campus Garching gebaut wird.

Dann kann die neue, lichtgetriebene Strahlung zum Beispiel mit dem sog. Phasenkontrast-Röntgentomografie-Bildgebungsverfahren gekoppelt werden, das von Prof. Franz Pfeiffer an der Technischen Universität München verfeinert wird. Dabei nutzt man im Gegensatz zur üblichen Absorption der Strahlung ihre Brechung an Objekten. „Damit können wir heute schon bis zu zehn Mikrometer kleine Strukturen in nicht durchsichtigen Objekten aufspüren“, erläutert Karsch. „Mit der neuen Röntgenquelle werden wir dann noch genauere Informationen aus Gewebe oder anderem Material gewinnen“, ist Karsch überzeugt.

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