Medizin & Technik

Todesfalle Bauchschlagader

22.05.2014 -

Das abdominale Aorten­aneurysma ist eine häufige Erkrankung bei Männern ab dem 65. Lebensjahr, die oft tödlich verläuft. Mittels Ultraschall kann sie jedoch einfach und mit hoher Zuverlässigkeit diagnostiziert werden. ­Gefäßchirurgen fordern daher ein Ultra­schall-Screening im 65. Lebensjahr.

Zertifiziertes Gefäßzentrum Berlin

Krankhafte Erweiterungen der Bauchschlagader werden als abdominales Aortenaneurysma (AAA) bezeichnet. Große AAA können einreißen (Ruptur) und führen dann bei den meisten Patienten zu einem unmittelbaren Verblutungstod. Ein AAA entsteht auf dem Boden einer chronischen Entzündung der Aortenwand, prädisponierend sind ein zunehmendes Lebensalter, männliches Geschlecht, Rauchen und familiäre Häufung.

Die Prävalenz eines AAA mit einem maximalen Querdurchmesser von über drei Zentimetern liegt bei über 65-jährigen Frauen und Männern bei 1,3 % bzw. 5,5 %. Ab einem Querdurchmesser von fünf Zentimetern (bei Frauen ab 4,5 cm) steigt das Rupturrisiko steil an, sodass eine prophylaktische OP - entweder durch einen offenen Ersatz der abdominalen Aorta mittels Rohr- oder Bifurkationsprothese oder durch Implantation einer Stentprothese - notwendig wird.

In Deutschland wurden 2012 rund 14.000 Patienten mit einem nicht-rupturierten AAA und 2.160 Patienten mit einem rupturierten AAA stationär behandelt. Mehr als 50 % aller Patienten mit Aortenruptur versterben, die tatsächliche Anzahl tödlicher AAA-Rupturen liegt mit 6.000 bis 10.000 Fällen deutlich höher, da nur ein Teil aller Patienten mit geplatztem AAA lebend ein Krankenhaus erreicht.

Diagnostik eines AAA mittels abdominaler Sonografie

Die B-Bild-Sonografie mit einem 3,5 bis 5 MHz Sektorschallkopf stellt den Goldstandard in der Primärdetektion eines AAA dar. Die Darstellung der abdominalen Aorta ist technisch einfach und erfolgt im Quer- und im Längsschnitt in Rückenlage und 30-45 Grad Oberkörperhochlagerung (Abb. 2). Hierbei können auch die Abgänge der Nieren- und Ilicalarterien sehr gut eingesehen und mittels Farbduplexmodus das durchströmte Lumen exakt überprüft werden. Die Sensitivität der B-Bild-Sonografie liegt bei nahezu 100 %. Die Ultraschall-Untersuchung der abdominalen Aorta wird von den Patienten sehr gut akzeptiert, da keinerlei Nebenwirkungen bekannt sind und die Patienten die Untersuchung mit beobachten können. Bei einem maximalen Durchmesser von 40 mm (Frauen) bzw. 45-50 mm (Männer) sollte eine CT-Angiografie, bei Kontrastmittelunverträglichkeit und/oder Niereninsuffizienz eine MR-Tomografie/Angiografie erfolgen.

Studien zum Aorten-Screening mittels Ultraschall

Die Metaanalyse mehrerer randomisierter Studien (RCT) zum Ultraschall-Screening des AAA aus England, Dänemark und Australien zeigt eine signifikante Reduktion der AAA-assoziierten Mortalität und der Gesamtmortalität nach sieben bis 15 Jahren. Das Ultraschall-Screening führte zu einer deutlichen Zunahme elektiver Operationen (ab ca. 5 cm Querdurchmesser) und zu einer hochsignifikanten Reduktion von Not-OPs bei rupturiertem AAA (Tab. 1). Während die Vorteile des Ultraschall-Screenings für Männer sehr gut belegt sind, liegt bei 65- bis 80-jährigen Frauen nur ein RCT vor. In einer rezenten schwedischen Studie konnte bei 19 von 5.140 Frauen ein neues AAA dia­gnostiziert werden, wobei 18 dieser 19 Frauen Raucherinnen waren. Die Autoren schlussfolgerten, dass Raucherinnen eine AAA-Risikogruppe darstellen können.

Leitlinien zum AAA-Ultraschall-­Screening

Ein HTA-Bericht zum Ultraschall-Screening (HTA Bericht Core Model Online 2013) konnte zeigen, dass alle Leitlinien empfehlen, Männer ab dem 65. Lebensjahr zu screenen. In einer Leitlinie wird ein Screening bereits ab dem 60. Lebensjahr empfohlen. Beim Vorliegen einer positiven Familienanamnese empfehlen einige Leitlinien ein Screening bei Männern ab dem 50., 55. bzw. dem 60. Lebensjahr. Ein AAA-Screening wird in vier Leitlinien auch für Frauen empfohlen, insbesondere beim Vorliegen multipler Risikofaktoren wie positiver Familienanamnese, Raucherana­mnese und kardiovaskulären Risikofaktoren.

Internationale Ultraschall-Screening Programme

Großbritannien: Für England wurde 2009 ein Screening-Programm beschlossen, das 2014 flächendeckend umgesetzt sein wird. Alle Männer werden zu ihrem 65. Geburtstag eingeladen, ältere Männer können auf eigene Veranlassung untersucht werden. Frauen können gescreent werden, wenn eine familiäre Belastung besteht. Das Ultraschall-Screening wird in Kliniken und mobilen Einheiten über den National Health Service organisiert. Außerdem sollen in Schottland, Nord-Irland und Wales AAA-Screening-Programme implementiert werden.
aaa.screening.nhs.uk

USA: Seit 2007 werden Im Rahmen des „Welcome to Medicare - Preventive Visit"-Programms 65- bis 75-jährige Männer, die in Ihrem Leben mindestens 100 Zigaretten geraucht haben, sowie Männer und Frauen mit einer familiären AAA-Belastung zu einer einmaligen Ultraschall-Untersuchung der ­abdominalen Aorta eingeladen. Die Untersuchung ist kostenfrei. ­Das US Department of Veteran Affairs bietet ebenfalls ein Screening an.
www.medicare.gov/coverage/­ab-aortic-aneurysm-screening.html

Skandinavien: Ein erstes Ultraschall-Screening-Programm in Schweden startete 2006 bei 65-jährigen Männern. Die Untersuchungsgebühren betragen umgerechnet 20 US-$. Auch in Oslo/Norwegen wird seit 2011 ein AAA-Screening angeboten.
www.sbu.se/en/Published/Alert/Screening-for-Abdominal-Aortic-Aneurysm/

Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) hat 2010 für ein Ultraschall-Screening des AAA folgende Empfehlungen herausgebracht:

  • Einmalige Ultraschall-Unter­suchung der abdominalen Aorta bei Männern ab dem 65. Lebensjahr.
  • Einmalige Ultraschall-Untersuchung der abdominalen Aorta bei Männern und Frauen aller Altersstufen mit positiver Familienanamnese.
  • Einmalige Ultraschall-Untersuchung der abdominalen Aorta bei Frauen ab dem 65. Lebensjahr mit vorbestehendem oder aktuellen Nikotinabusus und/oder kardiovaskulärer Vorgeschichte.
  • Bei einem Querdurchmesser von 3-4 cm sollte eine Ultraschall-Kontroll-Untersuchung nach 12 Monaten erfolgen, bei einem Querdurchmesser von 4-4,5 cm sollte eine Ultraschall-Kontroll-Untersuchung nach sechs Monaten erfolgen.
  • Ab einem Querdurchmesser von 4,5 cm sollte gefäßchirurgische Expertise hinzugezogen werden sowie eine CT-Angiografie zur Befund-Objektivierung erfolgen.
  • Ab einem Querdurchmesser von 5-5,5 cm sollte die Indikation zur operativen Therapie erwogen werden, bei Frauen liegt dieser Grenzwert bei einem Durchmesser von 4,5-5 cm.

Zusammenfassung

Das AAA stellt eine häufige Erkrankung bei Männern ab dem 65. Lebensjahr dar, entwickelt sich in aller Regel langsam von einem kleinen Aneurysma zu einem rupturgefährdeten AAA und kann mittels Ultraschall einfach und mit hoher Zuverlässigkeit diagnostiziert werden. Die Indikationen zur offenen oder endovaskulären OP der abdominellen Aorta sind klar definiert, notwendige Operationen können in gefäßchirurgischen Zentren mit ausgewiesener Expertise mit einer niedrigen Komplikationsrate durchgeführt werden. Nach erfolgter Therapie erwartet die Patienten eine nahezu normale Lebenserwartung. In den USA, Großbritannien und in Skandinavien wurden Screening-Programme auf den Weg gebracht. Derzeit wird ein nationales AAA-Ultraschall-Screening-Programm für Deutschland seitens des GBA und des IQWIG evaluiert, um tödliche AAA-Rupturen künftig besser vermeiden zu können.

 

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