Medizin & Technik

Infektionen in der Orthopädie

Von MRSA-Screening bis zum periprothetischen Infekt

14.12.2011 -

Infektionen sind der Albtraum jedes Operateurs. Sie zu verhüten bzw. beim Auftreten schnellstmöglich in den Griff zu bekommen, ist für jede operative Klinik vordringlich. Dr. Stephan Wydra vom Institut für Hygiene der Universität Bonn gab auf dem Köln-Bonner Endoprothetik-Forum praktische Tipps, wie man sich MRSA mittels Screening und Sanierung möglichst vom Hals hält.

Der grampositive Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) sitzt bevorzugt im Nasen- Rachenraum. Er ist sehr resistent gegenüber Austrocknung und Wärme, und selbst in unbelebter Umgebung mindestens sechs Monate lebensfähig. Er weist eine Resistenz gegen sämtliche Beta-Lactam-Antibiotika auf, so dass alle Penizilline, Cephalosporine und Carbapeme unwirksam sind. In Deutschland wird Staph. aureus bei 20 – 22% der Bevölkerung gefunden; diese Rate über die letzten zehn Jahre stabil geblieben.

Hauptüberträger ist die Hand

Hauptvektor der Übertragung ist die Hand. Unsterile Handschuhe und Händedesinfektion schützen nur begrenzt – der Handschuh hat Löcher, die Händedesinfektion erfolgt meist unvollständig, so zeigen sich bei Kontrollen z.B. am Daumen und in den Zwischenfingerräumen Desinfektionslücken. Die Keimübertragung zu unterbinden ist deswegen wichtig, weil Patienten sowohl durch mitgebrachte als auch durch in der Klinik erworbene Staphylokokken erkranken. Händehygiene und vernünftiger Einsatz von Antibiotika sind die wichtigsten Maßnahmen gegen multiresistente Erreger, ferner die vom Robert-Koch-Institut empfohlene Trias Screenen – Isolieren wenn nötig – Sanieren. Gescreent wird anhand des Risikoprofilkatalogs des RKI, isoliert werden einzelne positiv getestete Patienten oder Kohorten. Die Sanierung ist inzwischen durch das Fertigset, zu dem nur noch die Nasensalbe ergänzt werden muss, sehr einfach geworden. Folgt man den Vorgaben des Sets, lassen sich zuhause in fünf Tagen Sanierungsraten von über 90% erreichen; in der Klinik sind die Ergebnisse schlechter.

Diagnostik von Gelenkinfektionen

Nach dem allgemein verbreiteten MRSA wandte sich PD Dr. Stephan Tohtz, Berlin, einem spezielleren orthopädischen Thema zu: der Diagnostik von Infektionen an Hüft- und Kniegelenk. Ziel ist hier jeweils der präoperative Erregernachweis. Als unspezifische Diagnosetools für Infektion werden die Blutsenkung, C-reaktives Protein, Interleukin 6 in Serum und Synovialflüssigkeit sowie die Leukozytenzahl in der Synovialflüssigkeit herangezogen, ferner histologische Parameter. Interleukin 6 und Leukozytenzahl jeweils im Aspirat weisen die höchste Sensitivität und Spezifität auf. Spezifische Tools sind Gelenkpunktat und Gewebekulturen, wobei das erstere viele falsch positive und noch viel mehr falsch negative Ergebnisse liefert. Ein relativ neues spezifisches Tool ist auch die Sonication, mit der sich an Prothesen anhaftende Erreger nachweisen lassen. Aus den Parametern CRP und BSG ergibt sich bereits eine Infektwahrscheinlichkeit von 83%. Kommt ein positives Aspirat hinzu, so erhöht sie sich auf fast 90%. Weitere Sicherheit bringt der Schnellschnitt.

Lokale Antibiose als wichtigste Maßnahme

Was tun, wenn eine periprothetische Infektion nachgewiesen ist oder vermutet wird? Dr. Thomas Kappe, Ulm, stellte die Möglichkeiten lokaler Antibiose vor und bewertete sie. Lokal applizierte Antibiotika müssen zunächst einmal hydrophob und thermostabil sein und natürlich zum vermuteten oder nachgewiesenen Keimspektrum passen. Als Erreger sind Staphylokokken, davon ca. 30% MRSA, mit deutlich über 60% führend. Zu diesem Anforderungsprofil passen z.B. Gentamycin, Clindamycin, Vancomycin, Tobramycin oder Meropenem. Das entscheidende Argument für die lokale versus systemische Antibiose ist die Formierung des Biofilms an der Prothesenoberfläche.

Durch dieses „Race for the Surface“ zwischen Bakterie und Körperzelle entscheidet sich die Zukunft der Prothese. Gewinnt die Bakterie, entsteht der Biofilm, der die Bakterie vor dem zellulären Immunsystem schützt. Der Biofilm erhöht die minimale Hemmkonzentration für Staph. aureus um das 250fache, für Pseudomonas sogar um das 800fache. Diese Konzentrationen lassen sich bei vernünftigem Nutzen-Risiko-Profil nur mit lokaler Antibiose erreichen. Systemische Nebenwirkungen treten dabei in der Regel nicht auf. Als lokale Antibiotikaträger kommen Septopalketten und Knochenzement als Spacer oder zur Zementierung von Endoprothesen in Frage.

Antibiotika-Kombinationen von Vorteil

Die Beimischung von mehr als einem Antibiotikum wirkt dabei positiv; bei Staphylokokken ist zusätzlich Vancomycin von Nutzen. Freigesetzt werden die Antibiotika aus dem Zement über einen Zeitraum von 40 bis über 100 Tagen. Allerdings schwächt der Antibiotikazusatz die Biegebeanspruchbarkeit des Zements – dies ist bereits bei einem Gramm pro 40 g Zement nachweisbar. Viele Fragen im Zusammenhang mit der lokalen Antibiotikatherapie sind allerdings nicht mit ausreichender Evidenz zu beantworten, z. B. über Nutzen und Dauer zusätzlicher systemischer Antibiose.

Wie diese gehandhabt werden sollte und wo ihre Grenzen liegen, berichtete Dr. Peter Stangenberg, Berlin. Wachsen die Bakterien im Biofilm, so ist die systemische Therapie meist wirkungslos. Die Therapie muss chirurgisch erfolgen, und die Aufgabe der Antibiotikagabe ist die Sicherung des Erfolgs der Chirurgie. Dazu muss sich das betreffende Antibiotikum im Knochen anreichern, was z.B. bei Clindamycin im Gegensatz etwa zu Cefazolin der Fall ist. Zur Therapiedauer gibt es keine evidenzbasierten Daten. In Meta- Analysen zur chronischen Osteomyelitis findet sich eine Therapiedauer von 2 Tagen bis 2 Jahren; der Median liegt etwa bei sechs Wochen. Bei der periprothetischen Infektion wird ebenfalls im Mittel sechs Wochen antibiotisch behandelt. Bedeutender als die Behandlungsdauer ist jedoch die initial richtige Therapie. Durch alleinige systemische Antibiotikagabe lässt sich bei diesen Infektionen allerdings keine Heilung erzielen, wohl aber eine anhaltende effektive Suppression der Infektion bei 63% der Patienten – in diesen inoperablen Situationen muss die Antibiotikatherapie dann lebenslang durchgeführt werden.

BVP Quelle:

Köln-Bonner Endoprothetik-Forum, 17.-19. September 2011. Veranstalter: KLEOS/Smith & Nephew.

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