APS verleiht Deutschen Preis für Patientensicherheit
02.09.2024 - Auf der Jahrestagung in Essen hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) den Deutschen Preis für Patientensicherheit an drei herausragende Projekte verliehen.
Den 1. Preis nahm PD Dr. Saša Sopka vom Universitätsklinikum RWTH Aachen/Klinik für Anästhesie & AIXTRA Aachen entgegen. Der 2. Platz ging an Dr. Anne Rüggeberg und Dr. Eike Nickel aus der Abteilung für Anästhesiologie und Schmerztherapie vom Helios Klinikum Emil von Behring und der 3. Platz an Katharina Düvel et al. aus dem Pflegemanagement im Bereich Pflegedirektion, Klinikum Leverkusen gGmbH. Die 11-köpfige Jury zeigte sich beeindruckt von der hohen Qualität der Einreichungen. Besonders gelobt wurden pragmatische Ansätze, die leicht umzusetzen sind und daher als Vorbild für viele andere Einrichtungen dienen können. Einige Einreichungen zeichneten sich durch eine hohe Interprofessionalität aus, bei der unterschiedliche Berufsgruppen im Gesundheitswesen gemeinsam die Patientensicherheit verbessern. Diese Art der Zusammenarbeit entspricht dem Netzwerkgedanken des APS, dessen Ziel es ist, durch den Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen unterschiedlichen Akteuren die Gesundheitsversorgung für Patient*innen sicherer zu machen.
Zum elften Mal hatte das APS gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern – der Ecclesia Versicherungsdienst GmbH, der Inworks GmbH, der MSD Sharp & Dohme GmbH und der Thieme Gruppe – den Deutschen Preis für Patientensicherheit ausgeschrieben. Mit der Verleihung fördert und würdigt das APS jedes Jahr Akteure im Gesundheitswesen, die sich mit besonderen Ideen und Projekten für die Verbesserung der Patientensicherheit einsetzen. Die APS-Vorsitzende Dr. Ruth Hecker gratulierte den diesjährigen Preisträger*innen, lobte die Einreichungen und ruft zur Fortsetzung der gemeinsamen Zusammenarbeit auf. Sie betonte: „Es freut mich besonders, dass die Einreichungen aus so vielfältigen Bereichen des Gesundheitswesens stammen. Es gab Beiträge aus unterschiedlichsten Feldern – von der stationären über die ambulante Versorgung bis hin zur Pflege. Ein besonderes Lob gebührt den Projekten aus dem ambulanten Bereich, auch wenn hier noch Potenzial für eine breitere Beteiligung besteht. Der hohe Anteil an Einsendungen aus der Pflege ist besonders eindrucksvoll, denn dort wird intensiv und innovativ an der Verbesserung der Patientensicherheit gearbeitet. Auch die Beteiligung eines Rettungsdienstes unterstreicht, dass die Patientensicherheit eine gemeinsame Aufgabe ist, die alle Sektoren des Gesundheitswesens verbindet.
Deshalb lautet mein Aufruf an alle Einrichtungen des Gesundheitswesens in Deutschland und an unsere Mitglieder: Lassen Sie uns gemeinsam weiterhin daran arbeiten, dass Patientensicherheit zu einem zentralen Thema in allen Bereichen des Gesundheitswesens wird. Seien Sie mutig, neue Wege zu gehen, und lassen Sie uns die besten Ideen und Konzepte entwickeln, um die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten stetig zu verbessern. Jede Einreichung, jede Initiative, trägt dazu bei, dass unser Gesundheitssystem sicherer wird. Sie sind wie Leuchttürme, die den Weg zu neuen Möglichkeiten aufzeigen, an denen sich andere orientieren können – idealerweise durch den Austausch von Erfahrungen und dem gemeinsamen Lernen aus Fehlern.“
Die Auszeichnung ist für den ersten Platz mit 10.000 Euro, für den zweiten mit 6.000 Euro und den dritten Platz mit 3.500 Euro dotiert. Das Preisgeld wird zweckgebunden vergeben.
Am 18. September startet bereits die nächste Ausschreibung für den Deutschen Preis für Patientensicherheit 2024 mit einem Bewerbungszeitraum bis 10. November 2024.
In der Vergangenheit prämierte das APS bereits 36 Leuchtturm-Ideen, die Patientensicherheit fördern und verbessern. Darunter wurden auch einige spezielle Sonderpreise vergeben. Insgesamt wurde der Preis nun an 39 Preisträger*innen verliehen. Die Preisausrichter setzen sich zum Ziel nicht nur den stationären, sondern verstärkt den ambulanten Bereich im Gesundheitswesen zu Projekteinreichungen zu ermutigen.
Die Preisträger*innen des Deutschen Preises für Patientensicherheit 2024:
Platz 1: Projekt „ICU-Support: Erhöhung der Patientensicherheit durch ein multiprofessionelles Teamkonzept für Intensivstationen“ von PD Dr. Saša Sopka vom Universitätsklinikum RWTH Aachen/Klinik für Anästhesie & AIXTRA Aachen. ICU Support ist ein strukturiertes Besprechungskonzept, das speziell für intensivmedizinische Teams entwickelt wurde. Ziel des Konzepts ist eine Erhöhung der Patientensicherheit durch Reduzierung der Belastung des Personals. Hierbei steht der Aspekt der verbesserten Teamkommunikation im Mittelpunkt. Vor- und Nachbesprechungen der Arbeit zu Dienstbeginn und -ende (jeweils ca. 5 Minuten) werden durch situative Mini-Debriefings während der Arbeit ergänzt, um die Mitarbeitenden durch wertschätzende Kommunikation optimal zu unterstützen. Dadurch sollen Leitungskräfte und Mitarbeitende motiviert werden, sowohl schwierige als auch positive Situationen in empathischer, offener Atmosphäre zu diskutieren. Auf diese Weise sollen Belastungssituationen besser erkannt und aufgefangen werden und zur Erhöhung der Patientensicherheit beitragen. Sämtliche Besprechungen finden innerhalb der Arbeitszeit statt. ICU Support wurde auf den Intensivstationen von neun deutschen Universitätsklinika eingeführt. Die Implementierung erfolgte systematisch in einem mehrschrittigen Verfahren, das die Entwicklung des Konzepts, Schulung der Leitungskräfte, Einführung und die wissenschaftliche Begleitung umfasste.
Platz 2: „Trinken bis Abruf mit Nüchternheitskarten“ von Dr. Anne Rüggeberg und Dr. Eike Nickel, Abteilung für Anästhesiologie und Schmerztherapie, Helios Klinikum Emil von Behring. Ziel des prämierten Projekts ist, eine Dehydratation von Patient*innen im Krankenhaus vor Operationen und Untersuchungen in Sedierung durch überlange Flüssigkeitskarenzzeiten zu vermeiden. Dafür hat das Projektteam im Rahmen einer Qualitäts-Management-Maßnahme mit drei iterativen PDSA- (Plan–Do–Study-Act) Zyklen das Konzept „Trinken bis Abruf“ mit Nüchternheitskarten entwickelt und eingeführt. Nüchternheitskarten sind ein frei verfügbares dreistufiges Ampelsystem. Eine grüne Karte erhalten Patient*innen ohne wesentliche Vorerkrankungen oder operative Besonderheiten. Sie dürfen bis zum Abruf klare Flüssigkeiten entsprechend ihren Wünschen und Gewohnheiten trinken, auch Kaffee oder Tee mit Milch oder ein Wassereis. Eine gelbe Karte bekommen Patient*innen, für die aufgrund ihrer Vorerkrankungen oder operativen Besonderheiten ein individualisiertes Vorgehen erforderlich ist. Eine rote Karte ist schwerkranken Notfallpatient*innen vorbehalten, die ab sofort weder essen noch trinken dürfen. Insgesamt konnte im Rahmen dieser Qualitätsmanagementmaßnahme die mediane Flüssigkeitskarenzzeit von 12 auf 2,1 Stunden reduziert werden und liegt damit im Median im Bereich der Leitlinienempfehlung. Patient*innen trinken bedarfsgerecht die von ihnen bevorzugten Getränke. Dadurch werden Unwohlsein, Stress und perioperative Komplikationen deutlich reduziert und die Patientensicherheit erhöht. Das Konzept kann in allen Bereichen eines Krankenhauses eingesetzt werden, in denen Nüchternheitsregeln gelten. Patient*innen wird vor Operationen die Farbe der Nüchternheitskarte im Rahmen des Narkosevorgespräches individuell zugeordnet entsprechend den Vorerkrankungen der Patient*innen und den operativen Besonderheiten. Für Patient*innen vor prozeduraler Sedierung erfolgt die Zuordnung der Nüchternheitskarten SOP-gestützt durch das Stationspflegepersonal. Patient*innen, die über die Rettungsstelle aufgenommen werden, erhalten die Nüchternheitskarten von den Ärztinnen und Ärzten der Rettungsstelle SOP-gestützt zugeordnet.
Platz 3: Projekt „Sektorenübergreifende Schockraum-Simulation der Präklinik und Klinik“ von Katharina Düvel et al. aus dem Pflegemanagement im Bereich Pflegedirektion, Klinikum Leverkusen gGmbH. Da gerade bei der Versorgung von schwerstverletzen Patienten ein reibungsloser Ablauf, feste Strukturen und ein kurzes Zeitfenster von größter Wichtigkeit sind, hat das Klinikum Leverkusen seinen Fokus auf regelmäßige Schockraumsimulationen gelegt. Der Patient soll spüren, dass die zuständigen Mitarbeiter*innen wissen, was sie tun und wie sie die Patient*innen in ihrer Notfallsituation ins sichere Strukturen zurück begleiten. Abläufe in der Notaufnahme können daher, so die Team-Überzeugung, nicht dem Zufall überlassen oder improvisiert werden. Das einheitliche Vorgehen mit festen Abläufen, bietet den Patient*innen die bestmögliche Chance der Rehabilitation. Die zentrale Notaufnahme des Krankenhauses verfügt über einen Schockraum zur Erstversorgung schwerstkranker, beziehungsweise schwerverletzter bzw. polytraumatisierter Patienten. Damit die erforderlichen festen Strukturen gelingen, hat das Klinikum Leverkusen gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr eine Simulation mit Dummy unter echten Bedingungen initiiert. Simulierte Notfälle werden ebenso wie echte Notfälle über die Leitstelle in der Notaufnahme angemeldet. Hier beginnt der erste standardisierte Handlungsschritt zur Sicherstellung der Patientenversorgung. Das Team der Notaufnahme, ausgenommen der pflegerischen Leitung, hat bis zum Eintreffen des simulierten „Patienten“ keine Kenntnis über die Simulation. Erst bei der Übergabe durch die Rettungskräfte ist allen Beteiligten, beim Anblick der Simulationspuppe klar, dass es sich um eine Übung handelt. Jede Simulation wird mit unterschiedlichen Krankheitsbildern, Symptomen und Schwerpunkten festgelegt, so dass eine realistische Situation nachempfunden werden kann. Rund viermal im Jahr finden solche unangekündigten Schockraum Simulationen statt und bilden somit einen elementaren Bestandteil der Patientensicherheit im Klinikum Leverkusen. Nach einer anschließenden Evaluation mit allen Berufsgruppen werden gewonnene Erkenntnisse verschriftlicht, Standards überprüft und angepasst, sowie Erfahrungen im Team geteilt.
Interprofessionellen Projekte: durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen entstehen Synergien
Die Vorsitzende Dr. Ruth Hecker lobte den hohen Anteil an Einreichungen bestehend aus interprofessionellen Teams. Hecker: „Interprofessionalität spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, komplexe Herausforderungen im Gesundheitswesen zu bewältigen. Durch die Beteiligung von Ärzt*innen, Pflegekräften, Apotheker*innen und weiteren Gesundheitsberufen werden unterschiedliche Perspektiven eingebracht, die zu umfassenderen und effektiveren Lösungen führen können im Vergleich zu nur einer einseitigen Sichtweise. Die prämierten interprofessionellen Projekte zeigen, dass durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen Synergien entstehen, die sonst nicht möglich wären. Diese Projekte verdeutlichen, dass der Netzwerkgedanke nicht nur eine theoretische Leitidee ist, sondern durch konkrete Maßnahmen und Initiativen in die Praxis umgesetzt wird.“