Aus den Kliniken

Transkranielle Gleichstromstimulation: Studie findet keine nachweisbare Wirkung bei Depressionen

28.07.2023 - Etwa fünf Prozent aller Erwachsenen weltweit sind von einer schweren depressiven Störung, auch „Major depressive disorder“, kurz MDD, betroffen.

Neben einer medikamentösen Behandlung kombiniert mit einer Psychotherapie, stehen für die Behandlung auch verschiedene nicht-invasive Hirnstimulationstechniken zur Verfügung, wie bspw. die transkranielle Gleichstromstimulation. Nun haben Wissenschaftler*innen u.a. aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III am Universitätsklinikum Ulm (UKU) in einer qualitativ hochwertigen Studie die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode überprüft. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der international anerkannten Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht.

Neben der sogenannten repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTMS), die bereits 2010 als Behandlung der therapieresistenten MDD im Erwachsenalter zugelassen wurde, wurde in jüngerer Zeit die transkranielle Gleichstromstimulation (engl. transcranial direct current stimulation – tDCS) als eine weitere nicht-invasive Hirnstimulationsintervention bei MDD vorgeschlagen. Bei der Depressionsbehandlung mit tDCS wird ein schwacher, konstanter Gleichstrom eingesetzt, der über Elektroden auf die Kopfhaut aufgetragen wird. Dies soll die Gehirnaktivität im sogenannten Stirnhirn, auch bekannt als Frontallappen, gezielt beeinflussen und so die Symptome einer schweren Depression lindern.

Diese Behandlung ist weniger kostspielig als die rTMS und möglicherweise für mehrere Situationen, einschließlich der Behandlung im eigenen Zuhause der Patient*innen, geeignet. Vorangegangene Studien haben darauf hingedeutet, dass die über mehrere Wochen durchgeführte tägliche tDCS geringe bis mäßige antidepressive Wirkungen hervorruft. „Diese Analysen basieren jedoch hauptsächlich auf monozentrischen Studien, also Studien, die nur an einem einzigen medizinischen Zentrum durchgeführt wurden. Sie umfassten außerdem Kombinationen mit kognitivem Training oder Psychotherapie, Patientinnen und Patienten mit oder ohne Begleitmedikation sowie Patientinnen und Patienten mit bipolarer Depression“, erklärt Prof. Dr. Carlos Schönfeldt-Lecuona, stellvertretender Leitender Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III am UKU.

In die aktuelle Studie, die von Prof. Dr. Frank Padberg, LMU München, und Dr. Gerrit Burkhardt vom Center for Non-Invasive Brain Stimulation Munich-Augsburg geleitet wurde, wurden 160 Patient*innen an acht deutschen Kliniken einbezogen. Diese waren schon vor Beginn der Studie auf ein antidepressives Medikament eingestellt, das jedoch zu keiner ausreichenden Verbesserung ihrer Symptome geführt hatte. Über einen Zeitraum von sechs Wochen erhielt die eine Hälfte der Patient*innen tatsächlich die tDCS-Behandlung. Die andere Hälfte erhielt währenddessen eine Scheinbehandlung, die den Ablauf und die Begleiterscheinungen der tDCS-Behandlung nachahmte. Anschließend wurden die Patient*innen bis zu sechs Monate lang beobachtet, um den Langzeitverlauf nach einer akuten tDCS-Behandlung zu untersuchen. „Hierbei zeigte sich kein Vorteil der aktiven tDCS im Vergleich zur Placebo-Stimulation. Somit scheint die tDCS bei einer streng kontrollierten Studie die positiven Ergebnisse anderer kleinen Studien nicht zu unterstützen“, resümiert Prof. Dr. Thomas Kammer, Leiter Sektion Neurostimulation an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III. „Wir setzen tDCS in der Behandlung der Depression nicht mehr ein. Auch wenn die rTMS aufwendiger ist, werden wir dieses Verfahren vermehrt anwenden. Zurzeit läuft die klinische Studie TBS-D, bei der wir die Wirkung eines neuen Stimulationsprotokolls im Vergleich zu einer Scheinbehandlung bei Depression erforschen."

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