Klebstoffe fürs Gehirn
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie, 8. bis 10. Oktober, Gürzenich Köln
Epileptische Anfälle und chronische Kopfschmerzen können Warnzeichen für Fehlbildungen von Blutgefäßen im Gehirn sein. Menschen, die an solchen arteriovenösen Malformationen leiden, weisen ein erhöhtes Risiko für eine Hirnblutung auf. Mit einer Katheterbehandlung lässt sich dieser vorbeugen. Neuroradiologen dichten die betroffenen Gefäße mit einem Embolisat, einem speziellen Klebstoff, ab. Durch den Einsatz neuer Klebstoffe gelingt ein kompletter Verschluss der AV-Malformationen nun deutlich häufiger als noch vor wenigen Jahren. Die Fortschritte auf diesem Gebiet sind ein Schwerpunkt von neuroRAD, der 44. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR). Der Kongress fand vom 8. bis 10. Oktober in Köln statt.
„AV-Malformationen sind selten auftretende, angeborene Gefäßknäuel im Gehirn. Das Blut fließt in einem Kurzschluss direkt von den Arterien in die Venen - ohne die sonst übliche Zwischenschaltung von Kapillargefäßen", erklärt Prof. Dr. Isabel Wanke von der Universitätsklinik Essen im Vorfeld von neuroRAD. Durch den erhöhten Blutfluss und -druck in den Venen sind diese meist extrem erweitert. Zudem können sich Aussackungen an den arteriellen Gefäßwänden, sogenannte Aneurysmen, bilden. Menschen mit AV-Malformationen haben deshalb ein erhöhtes Risiko, eine Hirnblutung zu erleiden. Eine frühzeitige Therapie kann dies verhindern. Ziel ist es, das Gefäßknäuel vollständig auszuschalten.
Kleine und gut erreichbare Gefäßfehlbildungen lassen sich meist durch eine Operation entfernen. Für AV-Malformationen im Inneren des Gehirns trifft dies nicht zu. Diese können zwar mit einer Bestrahlung verödet werden. Die Wirkung tritt jedoch oft erst nach ein bis zwei Jahren ein. Als Alternative kommt eine Katheterbehandlung infrage. Hiermit lassen sich die AV-Malformation sofort und im Idealfall auch vollständig verschließen.
Bei der Katheterbehandlung bringen Neuroradiologen unter Bildkontrolle spezielle Klebstoffe ein und dichten so die AV-Malformationen ab. „Die Verfeinerung des Verfahrens und vor allem die Entwicklung neuer Klebstoffe hat die Erfolgsrate in den letzten Jahren deutlich erhöht", berichtet Wanke, die die Fortschritte auf diesem Gebiet auch auf dem DGNR-Kongress in Köln vorstellte. Im Gegensatz zu früheren Embolisaten werden die neuen Klebstoffe mit einem Katheter direkt in die AV-Malformationen gespritzt. Benachbartes Hirngewebe bleibt so verschont. Die Therapie muss jedoch sehr vorsichtig durchgeführt werden, um die AV-Malformationen selbst nicht zu verletzen. „Nach unserer Erfahrung kommt es während des Eingriffs jedoch nur sehr selten zu gefährlichen Blutungen. Auch Gefäßkrämpfe sind bei richtiger Handhabung des Klebstoffs äußerst unwahrscheinlich", erklärte Wanke.
Nicht ohne Risiken
Dennoch ist die Kathetertherapie - ebenso wie Operation und Strahlentherapie - nicht ohne Risiken. Sie sollte nur dann zur Anwendung kommen, wenn ihr Nutzen überwiegt. Diese Frage stellt sich vor allem bei Patienten, bei denen die AV-Malformation noch keine Symptome verursacht und zufällig entdeckt wird. Aber auch bei Betroffenen mit Beschwerden ist oft schwer vorhersehbar, ob eine Hirnblutung droht. Nähere Hinweise hierzu erhoffen sich die Experten von der internationalen ARUBA-Studie, an der sich auch deutsche Kliniken beteiligen. Sie lässt einen Teil der Patienten mit Absicht unbehandelt. „Auf Basis der Studiendaten werden wir dann hoffentlich genauer jene Patienten auswählen können, die einen Nutzen von der Behandlung haben", so Wanke. Erste Ergebnisse der ARUBA-Studie sollen 2011 vorliegen.