Hygiene

Multiresistente Krankenhauserreger, ein gesundheitsökonomisches Problem

19.11.2010 -

Multiresistente Krankenhauserreger sind in deutschen Kliniken keine Seltenheit. Jährlich stecken sich im Krankenhaus eine halbe bis eine Million Patienten mit Erregern an, gegen die Antibiotika nicht mehr helfen. Jede dritte dieser Infektionen wäre durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu verhindern. Allein auf den Intensivstatio­nen hieße dies jährlich 800 Todesfälle weniger.

Ein in Krankenhäusern weitverbreiteter Erreger ist der Methicillin-resis­tente Staphylokokkus aureus, kurz MRSA. Laut Robert Koch-Institut (RKI) war die MRSA-Rate bis 1990 relativ stabil. Seit 1995 steigt die Infektionsrate aber kontinuierlich - 2005 lag sie bei 32 %. Das Problem wächst rasant, bedroht Menschenleben und verursacht im Gesundheitssystem enorme Kosten. In Europa liegt Deutschland bei der Zahl der MRSA-Infektionen auf einem unrühmlichen Spitzenplatz, nur England steht noch schlechter da. Schlusslichter in der Statistik und damit vorbildlich bei der Bekämpfung von MRSA sind Dänemark und die Niederlande mit einer jährlichen MRSA-Rate von unter einem Prozent.

Fokus Deutschland
Jan Helfrich, Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), verdeutlichte Ende September auf der Veranstaltung „Multiresistente Erreger im Krankenhaus - Neue Standards für Patientensicherheit", Berlin, anhand einer Hochrechnung, wie viel Geld jährlich für die Behandlung von MRSA in Deutschland ausgegeben wird. Er kommt bei den direkten Kosten auf 230 Mio. € für Krankenhäuser und rund 380 Mio. € im ambulanten Bereich. „Und das ist nur ein einziger Keim", ergänzte Helfrich, um zu erläutern, dass die ökonomischen Verluste durch multiresistente Erreger weit höher liegen. Eine Studie von 1995 bezifferte die Therapiekosten in Deutschland für im Krankenhaus erworbene (nosokomiale) Infektionen mit 1,3 Mrd. €.

„Wir brauchen ein routinemäßiges MRSA-Screening, am besten noch vor der Einweisung", lautete daher auch der Appell von Veranstaltungsinitiator Axel Kramer, Universität Greifswald. In Greifswald wurde ein Screening schon eingeführt. Die jährlichen Materialkosten für die Labortests entsprechen etwa den Behandlungskosten von zehn MRSA-Patienten. „Das ist zwar alles kostspielig und aufwendig, aber es rechnet sich - wir haben weniger gesperrte Betten", so Kramer weiter.

Auch der Ausbreitung der Keime im Krankenhaus müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Multiresistente Erreger werden hauptsächlich über Hände und über die Umgebung des Patienten weitergegeben. Hier sei eine sorgfältige und routinemäßige Hygiene gefragt.

Vergütung im Krankenhaus
Kliniken werden für eine „MRSA-Komplexbehandlung" über das Fallpauschalensystem vergütet, gleichgültig, wie sie mit den Infizierten umgehen. Helfrich erachtete dieses Vorgehen als Unding: „Wer genau hinschaut und ein qualitativ hochwertiges Programm durchführt, der soll das auch vergütet bekommen." Damit plädierte er für eine qualitätsorientierte Bezahlung, die es bisher so in Deutschland nicht gibt.

Das standardisierte Vorgehen umfasst Screening, Vermeidung der Weiterverbreitung und gezielte Behandlung der Patienten. Rund 10.000 € koste einer Klinik dieses Vorgehen, so Helfrich. Finanziell schlagen vor allem die zusätzlichen Krankenhaustage ins Gewicht.
Bereits 2005 hatte Henning Wernitz die Ergebnisse einer Untersuchung an einem Berliner Krankenhaus vorgestellt. Dort waren pro MRSA-Patient zusätzlich 7.500 € Kosten angefallen. Eine Hochrechnung von Prof. Dr. Pe­tra Gastmeier, Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Charité, aus dem gleichen Jahr kam bei Wundinfektionen auf sieben und bei Pneumonien auf sechs zusätzliche Verweiltage. Diese Zusatzkosten übersteigen die Fallpauschalenvergütung erheblich. Gastmeier schätzt, dass die Kliniken auf 40 % der Mehrkosten sitzen bleiben.

Von anderen lernen
Die niedrigen Infektionsraten in Dänemark und den Niederlande kommen nicht von ungefähr. Dort wurden einheitliche Präventionsstrategien durchgesetzt. Eckpunkte sind Screening und die gezielte Antibiotikatherapie. Auch Australien hat konsequent Standards umgesetzt, die multiresistente Keime wirksam zurückdrängen. Der Prozess gehe langsam voran, räumte Helfrich ein. Voraussetzung sei aber, dass man ihn überhaupt anstoße.
Seit 2004 gibt es in Deutschland die Leitlinie „Maßnahme beim Auftreten multiresistenter Erreger". „Doch kaum ein Arzt kennt sie und noch weniger handeln danach", kommentierte Heinrich Konrad Geiss vom Röhn Klinikum in Neustadt/Saale.

Die DAK will hier eine Brücke bauen und Qualität belohnen: „Die Finanzierung trägt meist erheblich dazu bei, dass Entwicklungen umgesetzt werden." Neben allen ökonomischen Überlegungen müsse man sich immer wieder klarmachen, für wen man die Maßnahmen eigentlich durchführe, so Helfrich weiter: „Wir reden nur in zweiter Linie über Geld, primär geht es um das Schicksal von Menschen."

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