IT & Kommunikation

Künstliche Intelligenz in der Kodierung

29.10.2021 - Alle reden über KI – doch wo sind die wirklich praktischen Ansätze im Krankenhaus? Richtig Geld sparen kann ein Krankenhaus über die Kodierung. Was ist zu beachten?

Solange das System so ist,wie es ist, „verdient“ ein Krankenhaus sein Geld durch die Kodierung. Das liegt es nahe, neue und leistungsfähige Konzepte auch mit künstlicher Intelligenz (KI) auf ihre Eignung zu prüfen.

KI wird ja oft so verstanden, dass der Mensch dem Computer nicht mehr über eine „feste Verdrahtung“ beibringt, wie ein Algorithmus aussieht und wie er auszuführen ist. Bei KI lernt das Computersystem selbst aus Daten. Dabei kann man zwischen „Blackbox“-KI und „Whitebox“-KI unterscheiden. Bei der Blackbox-KI verfügen Computersysteme über Algorithmen, die Daten aus zugewiesenen Quellen untersuchen, und über neuronale Netze erlernen, was diese Daten sein könnten. Das Ergebnis ist dabei nicht vorhersagbar. Ein bekanntes Beispiel sind von einem Computer „gemalte“ Gemälde.

Kodierung: der ideale Fall für KI im Krankenhaus

In der Whitebox-KI wird im Wesentlichen Expertenwissen eingepflegt. Im einfachsten Falle bekommen Bilder Metadaten zugeordnet wie Blume, Feld, Haus, Katzenbaby. Zusammen mit einer entsprechenden Taxonomie können Lernverfahren erkennen, welche Dokumente aufgrund ihrer Daten zusammengehören.

Die Mitarbeiter in der Kodierung sind ein recht passendes Beispiel für „Wissensarbeiter“. Zunächst ist das Kodieren jedoch Fleißarbeit. Bei der Kodierung helfen die Computer dem Menschen evtl. mit Datenbanken und Verknüpfungen, doch schlussendlich müssen Wissensarbeiter die Daten zusammenführen und daran denken, dass auch alles dabei ist.
Dabei könnte gerade bei der Kodierung die KI eine gute Hilfe sein. Der einfachste Fall ist die Vollständigkeit der erfassten Codes. Im einfachsten Fall ist die Basis z. B. ein OP-Bericht. Doch enthält dieser Bericht alles, was kodierfähig ist?

Wissensarbeiter im Krankenhaus mit KI zu unterstützen, benötigt Vorbereitung. Zunächst wäre es hilfreich, die Aufgabe für die KI einzugrenzen. Das klingt wie eine Bremse, soll aber die Aufgaben und Mittel fokussieren. Ein zweiter Schritt wäre eine Einigung über die Dimensionen eines KI-Projekts. Für den Anfang ist es vielleicht noch nicht gewünscht, dass eine KI aus einem selbstständig befundeten Röntgenbild die Steuerung eines OP-Roboters ableitet und den Patienten per Handy über den bevorstehenden Eingriff informiert. Die Kodierung ist hingegen ein guter Punkt für den Einstieg in KI. Eine dritte Voraussetzung sind – Menschen. Für ein KI-Projekt könnten die erfahrensten Kodierer steuern, welche Daten und welche Vorgänge zusammengeführt werden.

Software und Technik zur Unterstützung

Die daraus entstehende Lösung könnte dann z. B. aus einem OP-Bericht nicht nur alle Codes herausziehen, sondern eben auch darauf aufmerksam machen, dass bei einem bestimmten Eingriff die bislang noch nicht erfassten Leistungen wie Bildgebung, Befundung und die bis zur OP akut verabreichten Schmerzmittel erfasst sind. Wenn etwas an der linken Niere gearbeitet wurde – wie sieht es mit der linken Niere aus?

Mit einer solchen Idee für eine KI-gestützte Kodierung wird schnell der Punkt erreicht, an dem auch die Befunde und OP-Berichte nicht mehr unbedingt als Freitext angelegt werden sollten. Doch dazu wird nicht der Operateur in ein Berichtskorsett gezwungen, sondern die freien Texte werden von einer KI-Lösung in eine Struktur überführt. So wird schon beim Anlegen des Berichts sichtbar, welche Informationen fehlen.

Damit diese Kette nicht endlos wird, ist es also hilfreich, die Größe eines IT-Projekts abzustecken und auch bei anderen Häusern zu schauen, welche Anwendungen es dort schon gibt. So arbeitet z. B. die Universitätsmedizin Mainz an der strukturierten Befundung mit Sprachverarbeitung.  Aus dem weiten Bereich der KI gibt es verschiedene technische Konzepte, die u. a. in der Kodierung helfen könnten. Konzepte wie das vielfach genutzte Computer Assisted Coding und eben auch Entscheidungsbäume, Knowledge-Graphs oder Case-based Reasoning, um nur einige zu nennen.

Typische KI-Methoden für die Kodierung

Knowledge-Graphs, also auf Graphen basierende Darstellungen von Wissen, sind eine Methode, die auch für das Anlernen von KI in der Kodierung geeignet ist. Es werden nicht nur die Informationen und ihre Metadaten abgelegt, sondern es wird auch gelernt, welche Informationen zusammengehören. Dabei werden Informationen und Metadaten miteinander verknüpft, so kann eine Whitebox-KI lernen, welche Codes gegebenenfalls zueinander gehören, weil sie die gleichen Metadaten haben.

Eine semantische KI sowie die Sprachverarbeitung mit semantischer KI kann dann wiederum helfen, auch bei Dokumenten, Befunden und Berichten mit einer Vielzahl von Schreibweisen, Sprechweisen sowie Sprachen und Dialekten zusammenhängende Informationen zu finden. Dann spielt es keine Rolle mehr, ob sich der Knochenbruch in der Sprachaufnahme wie „fraggdor“ oder „vraktuhr“, „vrecktscher“ oder „Fraktur“ anhört.

Entscheidungsbäume, die mit Experten zusammen angelegt worden sind, können helfen, für eine bestimmte Ziffer alle zugehörigen Ziffern anzuzeigen. Auch Altersgruppen und andere statistische Daten können helfen, die Klassifikationstabellen zu erweitern. Hat die Patientin das Alter für eine typischerweise gleichzeitig auftretende Erkrankung? Das sollte der Entscheidungsbaum zur Prüfung anzeigen. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind strukturierte Befunde und Berichte, aktuelle Datenbanken und IT-Datenmodelle, die zu den fachlichen Modellen passen. Ein weiterer technischer Schritt ist dann das CBR, das Case-based Reasoning. CBR ist eine Form der Entscheidungsunterstützung, das Fall-basierende Schließen.

Die Kodierung von Leistungen im Krankenhaus ist geradezu ideal für CBR: Alle bisherigen Fälle werden in einer Datenbank gespeichert. Enthält ein neuer Fall bestimmte Merkmale in den Daten und Metadaten, wird ein vergleichbarer Fall für die aktuell anstehende Kodierung herangezogen. Der Kodierer wird durch CBR mit vergleichbaren Fällen unterstützt und kann so schneller und leichter zu einer vollständigen Kodierung für den aktuellen Fall gelangen. Auf dieser Datenbasis können wiederum Graphen oder andere moderne Techniken dazu beitragen, die Situation zu visualisieren und so zugehörige Informationen zu finden.

Mit dem richtigen Maß Enttäuschungen vorbeugen

KI kann die Kodierung deutlich verbessern und dazu beitragen, dass vollständig und umfassend abgerechnet wird. Die Voraussetzung sind entsprechende KI-Methoden und -Lösungen, die planmäßig und fokussiert ausgewählt und mit den fachlich kompetentesten Mitarbeitern gesteuert werden sollten. Auf das richtige Maß beschränkt (z. B. bezüglich der Datenmenge oder des Funktionsumfangs) werden Enttäuschungen bei der Einführung von künstlicher Intelligenz in der Krankenhausverwaltung hoffentlich ausbleiben.

Autor: Holm Landrock, Dresden

 

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