Ganz nah am Patienten

Steht heute die Verlegung oder Entlassung eines (noch) pflegebedürftigen Patienten aus einem Akutkrankenhaus an, ist dies für Angehörige mit vielen Fragen verbunden: wie soll es weitergehen? Was wird werden? An wen kann ich mich wenden? Erst die persönliche Betroffenheit hinterlässt Spuren ...
Die wenigsten Patienten oder Angehörigen wissen, dass jeder gesetzlich Versicherte einen Anspruch auf ein „Versorgungsmanagement (SGB V, § 11 Abs. 4)" hat. Und selbst das Wissen um diesen Anspruch heißt nicht, dass bekannt ist, dass es sich hier um eine Anforderung an die Kliniken handelt, entsprechende Vorkehrungen zu treffen und vorzuhalten, die die Anschlussversorgung der Patienten nach Entlassung aus der Klinik sicherstellen.
Ökonomische Zwänge halten heute Krankenhausaufenthalte so kurz wie möglich. Doch eine kürzere Verweildauer und frühzeitige Klinikentlassung verursachen häufig Umstände, die einen poststationären Versorgungsbedarf erforderlich machen:
Es gilt, dem Patienten eine optimale und umfassende nachstationäre Versorgung durch ambulante Pflege oder eine Rehabilitation zu bieten, Versorgungsbrüche zu vermeiden und die Schnittstellen zwischen den akut- und poststationären Sektoren konsequent und komplikationslos abzusichern. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Patient in das häusliche Umfeld zurückkehrt, sich pflegende Angehörige um ihn kümmern, ein ambulanter Pflegedienst eingeschaltet wird oder ob eine Rehabilitation oder Pflegeheimunterbringung zu organisieren ist. Dafür ist eine perfekte Organisation der Überleitungsabläufe notwendig und dies ist eine Aufgabe des Krankenhaus-Entlassungsmanagement.
Konkrete Erfahrungen belegen, dass es bei der Umsetzung des Versorgungsmanagements häufig an der allen gerecht werdenden Koordination und Kommunikation mangelt. Einerseits wissen Patienten und Angehörige nicht, was sie fragen sollen, andererseits fehlt es in vielen Kliniken an einem persönlichen Ansprechpartner für Betroffene. Gleichzeitig mangelt es an einer effizienten und patientenorientierten Kommunikation zwischen Akutkrankenhaus und den nachgeordneten Bereichen: Das gilt sowohl für Pflege- oder Rehabilitationseinrichtungen als auch für die häuslichen Pflege bzw. ambulante Betreuung. Die Verunsicherung bei Patienten und Angehörigen ist, wenn der Pflege- oder Betreuungsfall eintritt, groß und führt leicht zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten und damit zur Zurückverlegung in das Krankenhaus.
Aspekte eines patientenorientierten Entlassungs-Managements
Zu wesentlichen Aspekten rund um ein gut funktionierendes Versorgungsmanagement, wo alle Zahnräder ineinander greifen, nimmt Pflegedirektor Martin Wilhelm und Gabriele Schubert, Abteilungsleiterin Sozialdienst, von der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt, im Gespräch mit Ute-Gisela Minnerop Stellung.
U-G. Minnerop: Das Patienten-Entlassungsmanagement der Johann Wolfgang Goethe Universität wurde bereits 2002 zertifiziert und seit 2008 nach der neuen Norm DIN EN ISO 9001: 2008 re-zertifiziert und gilt als überdurchschnittlich effizient und patientenorientiert. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wenn es darum geht, Patienten auf den verschiedenen Versorgungsstufen bedarfsgerecht zu entlassen?
M. Wilhelm: Bei uns verbringen Patienten nach einem Eingriff oder Ereignis durchschnittlich nur 6,2 Tage. Dies wird einmal durch den medizinischen Fortschritt ermöglicht, ist andererseits aber auch vom Gesetzgeber aus ökonomischen Gründen zur Kostenreduzierung politisch gewollt. Für mich liegen die Voraussetzungen für diese kurze Verweildauer wesentlich in einem umfassenden Patienten Assessment bei der Aufnahme in das Krankenhaus. Wir müssen dem Patienten möglichst im Einzelnen aufzeigen, was nach der Entlassung mit ihm geschieht. Wie es z.B. nach einer Operation weiter geht, ob er die bedarfsgerechte Anschlussheilbehandlung (AHB) erhält oder wie die Kontinuität der Pflege und die weitere Versorgung nach der Entlassung aus dem Klinikum in das häusliche Umfeld gewährleistet sind. Insofern beginnt ein optimales Entlassungsmanagement bereits am Tage der Klinikeinweisung.
Wenn Sie sagen, „optimales Entlassungsmanagement beginnt bereits mit der Aufnahme in der Klinik". Welche Maßnahmen sind nach Ihrer Meinung darüber hinaus erforderlich, um im Sinne des Patienten das Ziel der Versorgungskontinuität zwischen der stationären und der nachgelagerten Versorgung zu erreichen und zu sichern?
Wilhelm: Im Vordergrund stehen hier unsere Bemühungen, jedem Patienten einen Einblick in alle Therapieeinrichtungen unseres Klinikums zu geben, um damit bereits bei der Aufnahme, den Blick auf die Entlassung zu schärfen. Unsere Patienten sollen bereits bei der Aufnahme wissen, was mit ihnen in Zukunft „passiert". Warum wir Sie frühzeitig mobilisieren und warum z.B. eine Physiotherapie sinnvoll ist. Natürlich versuchen wir herauszubekommen, wie das häusliche Umfeld beschaffen ist, und worauf bei der Entlassung besonders zu achten ist.
Nehmen Sie nur das Beispiel aus der Neurochirurgie. Früher musste ein Patient nach einem Eingriff 5 Tage Bettruhe einhalten. Heute mobilisieren wir ihn bereits nach 2 Stunden. Dass dies zu einer deutlich früheren Entlassung beiträgt, liegt auf der Hand. Aber ohne zu wissen, wie das häusliche Umfeld beschaffen ist, wäre das natürlich nicht möglich. Deshalb kooperieren wir auch mit Häusern der Anschlussheilbehandlung und mit externen Dienstleistern, die ein umfassendes Case & Care Management anbieten.
Das Universitätsklinikum Frankfurt erreicht in weiten Bereichen Beispielfunktion für die universitären Einrichtungen Deutschlands und hat das Überleitungs- oder Entlassungsmanagement in Ihrem Hause heute schon eine „Vorreiterfunktion" und sehen Sie dabei auch beachtens- oder erwähnenswerte ökonomische Aspekte?
Wilhelm: Die Verantwortung für ein professionelles Patienten-Entlassungsmanagement liegt in der Abteilung Sozialdienst, deshalb freue ich mich, dass Gabriele Schubert, Abteilungsleiterin Sozialdienst, heute die Zeit gefunden hat, bei diesem Gespräch dabei zu sein.
Gabriele Schubert: Ziel unserer Tätigkeit ist es, frühzeitig eine termingerechte und bedarfsorientierte nachstationäre Versorgung der Patienten zu gewährleisten.
Bei unserer Arbeit nimmt die Kundenorientierung eine zentrale Rolle ein. Die Zufriedenheit unserer Patienten ist die Basis für den anerkannten Ruf unseres Klinikums. Patienten berichten ihrem Umfeld von ihren Erfahrungen im Krankenhaus, was im besten Fall zur Folge hat, dass unser Klinikum weiterempfohlen wird.
Erwähnenswerte und ökonomische Aspekte, liegen für uns in den hohen quantitativen und qualitativen Anforderungen des Gesetzgebers, die aber nur teilweise vergütet werden. Die sozialdienstliche Betreuung ambulanter Patienten des Klinikums wird beispielsweise nicht von den Krankenkassen vergütet. Der administrative Aufwand für die Organisation einer adäquaten Nachsorge ist extrem gestiegen und die Zeit für den einzelnen Patienten wird hierdurch immer knapper. Deshalb ist eine enge Verzahnung mit externen stationären und ambulanten Dienstleistern von zentraler Bedeutung.
Wenn Sie mit einem externen Dienstleister - einem Homecareunternehmen - zusammenarbeiten, welche strategischen Ziele zwischen den Sektoren, stehen für Sie im Vordergrund?
Schubert: Wie bereits erwähnt, bedeutet der Wechsel von der akuten, stationären Behandlung in die poststationäre Versorgung grundsätzlich für Patienten und Angehörige eine viele Aspekte umfassende Koordinations- und Kommunikationsaufgabe. Die Herausforderung eines professionellen Überleitungsmanagements liegt darin, die Aktivitäten der unterschiedlichen Akteure im stationären und ambulanten Bereich miteinander zu vernetzen und zu steuern. Neben einer geeigneten rehabilitativen oder ambulanten pflegerischen Versorgung müssen im Bedarfsfall auch die erforderlichen Hilfsmittel und technischen Geräte für den häuslichen Bereich organisiert werden.
Wir haben bereits vor Jahren die Bedeutung von funktionierenden Kooperationsnetzen erkannt und praktisch umgesetzt. Wir arbeiten mit ausgesuchten und nachweislich qualitativ hochwertigen Leistungserbringern zusammen und wissen durch regelmäßige Befragungen, dass sich unsere Patienten und Angehörigen auf die von uns empfohlenen Einrichtungen verlassen können.
Welche Anforderungen muss ein externer Dienstleister erfüllen, um für Sie ein akzeptierter Kooperationspartner zu sein? Konkret denke ich da an eine Zertifizierung z.B. EN ISO 9001 und EN ISO 13485 für ein Qualitätsmanagementsystem oder an die Ergänzung des Entlassungsmanagement bei Patienten mit einem speziellen Versorgungsbedarf?
Schubert: Wir haben uns für das Dienstleistungsspektrum eines Home Care Unternehmens entschieden, weil alle Parameter gemäß unserer Ausschreibung über dem Durchschnitt lagen und liegen. Ein objektives Kriterium für die qualitativ sehr gute Zusammenarbeit ist die Zertifizierung des Geltungsbereiches „Sozialdienst / Pflegeberatung / Entlassungsmanagement sowie die Schnittstelle Patientenüberleitung durch das Home Care Unternehmen". Bereits im Jahr 2008 wurde diese gemeinsame Schnittstelle erstmalig zertifiziert.
Es wird gewährleistet, dass für den Sozialdienst und in der Folge für die Patienten unseres Klinikums immer feste Ansprechpartner des externen Unternehmens zur Verfügung stehen. Dies ist sehr vorteilhaft für eine transparente und verlässliche Kommunikationsstruktur zwischen den Prozessbeteiligten. Darüber hinaus von besonderer Bedeutung ist für uns, dass dieses Home Care Unternehmen bundesweit aufgestellt ist und ein Hersteller-neutrales Produktspektrum bietet. Man ist spezialisiert auf diverse komplexe pflegerische Bedarfslagen und hat sich nicht auf ein oder wenige lukrative Leistungsbereiche, wie beispielsweise nur auf die künstliche Ernährung spezialisiert.
Es gibt bei uns ein Pflichtenheft, eine routinemäßige Ablaufkontrolle und verschiedene Feedback-Funktionen, die bereits bei Aufnahme des Patienten das Patienten-Entlassungsmanagement berücksichtigen. Wird ein entsprechender Spezialbedarf bei einem Patienten durch den Sozialdienst identifiziert, erfolgt umgehend die Einschaltung des Home Care Unternehmens und somit eine frühzeitige gemeinsame Entlassungsorganisation. Die Qualität der Überleitung der hiervon betroffenen Patienten ist durch die enge Verzahnung mit einem externen Anbieter deutlich gestiegen.












