Hüftgelenkseingriffe: Virtual Reality optimiert das OP-Training
Die Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz, die zum mitteldeutschen Verbund von Agaplesion gehören, setzen bei der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses auf Zukunftstechnologien.
So begleitet der Leitende Oberarzt der Klinik Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und Koordinator des hier ansässigen zertifizierten Endoprothetikzentrums, Priv.-Doz. Dr. Dirk Zajonz, seit einigen Jahren ein Forschungsprojekt der Technischen Universität Chemnitz: Die Wissenschaftler haben einen Trainingssimulator in der virtuellen Realität (VR) entwickelt, mit dem sich Hüftgelenkseingriffe praxisnah im virtuellen Raum üben lassen. Dieser Prototyp wird in Chemnitz bereits beim OP-Training eingesetzt.
„Wir wollen angehende Ärzte optimal ausbilden“, erklärt Dr. Zajonz, dessen Expertise maßgeblich in die Entwicklung des OP-Trainingssimulators eingeflossen ist. „Ein VR-Simulator ist für Studierende eine großartige Alternative zu anatomischen Versuchen. Sogar die Haptik bei einer OP wird nachgebildet. Die großen Kräfte, die beim Einsetzen eines Hüftimplantats auftreten, werden simuliert und lassen sich entsprechend nachspüren. Auch bei einem Fehler kommt man der Realität sehr nah.“
Bislang lernen Studierende zunächst vor allem durch Beobachten und Assistieren im OP. Durch das Training in der virtuellen Realität haben sie sofort deutlich mehr Praxisbezug. Wie bei einem Computerspiel leiten Texte und Bilder die Probanden in der VR-Simulation durch die einzelnen Operationsschritte. So ist es möglich, den Einsatz von Hüftprothesen in der chirurgischen Ausbildung gefahrlos und beliebig oft zu trainieren.
Der Trainingssimulator erlaubt die virtuelle Durchführung aller fünf Hauptschritte einer Hüftimplantation – vom Absägen des Oberschenkelknochenkopfes und dem Ausfräsen über das Einsetzen des Hüftimplantats bis hin zum Ausraspeln des Oberschenkelknochens und der Implantation des Schaftes. Das fertige Trainingssystem kann entweder als Gesamttraining oder in Einzelmodulen mit drei verschiedenen Schwierigkeitsgraden genutzt werden. Außerdem gibt es Multiplayer-Modi für ein kollaboratives Training räumlich entfernter Ärztinnen und Ärzte, bei dem eine Person operiert, eine zweite Person anleitet und weitere Zuschauer im selben virtuellen Raum bei der Operation anwesend sein können.
Wissenschaftler der TU Chemnitz haben diese medizinische VR-Anwendung in Kooperation mit Softwarespezialisten und Medizinern entwickelt, u.a. waren das Zentrum zur Erforschung der Stütz- und Bewegungsorgane (ZESBO) am Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Universität Graz und die Universität Bremen beteiligt. In die Erstellung und Weiterentwicklung des VR-Trainingssystems floss von Beginn an die medizinische Expertise der Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz mit ein. So wurde die Software auf Basis des fachlichen Wissens der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie konzipiert, entwickelt und getestet. Hierbei brachte sich mit Priv.-Doz. Dr. Dirk Zajonz der Leitende Oberarzt der Klinik federführend ein. Dazu gehörten auch Informationen zum Aufbau einer Hüfte und wie Patienten gelagert werden müssen. Dr. Zajonz optimierte zudem die visuellen 3D-Modelle einer virtuellen Patientin. Gemeinsam mit Kollegen, darunter Prof. Dr. Niels Hammer, Lehrstuhlinhaber für makroskopische und klinische Anatomie an der Medizinischen Universität Graz, und Dr. Mario Lorenz von der TU Chemnitz, testete Dr. Zajonz den VR-Simulator in allen Phasen der Entwicklung ausgiebig und setzt ihn regelmäßig bei der medizinischen Ausbildung ein.
Bereits seit 2015 existiert die Idee, einen virtuellen Trainingssimulator für das Einsetzen künstlicher Hüftgelenke zu entwickeln. Die Grundlagen dafür wurden 2019 in einem ersten Projekt (HIPS) von einem Team der Professur Produktionssysteme und -prozesse an der TU Chemnitz gelegt und im Folgeprojekt „Dynamic HIPS“ weiter verfeinert und erweitert. Dabei wurde die realitätsnahe Simulation von Operationen zum Einsatz künstlicher Hüftgelenke bedeutend weiterentwickelt. Kürzlich wurden die Chemnitzer TU-Wissenschaftler mit dem „XR Science Award 2023“ des Deutschen Instituts für Virtuelle Realitäten ausgezeichnet.
„Der VR-Simulator ist ein Forschungsprojekt, das in intensiver Teamarbeit entwickelt wurde und nach meiner Einschätzung ein Gewinn für die medizinische Ausbildung ist“, so Priv.-Doz. Dr. Zajonz. „Meines Wissens sind wir derzeit die einzige Klinik in Deutschland, die den VR-Simulator als Ergänzung zu anatomischen Versuchen verwendet. Und unsere Erfahrungen sind durchweg positiv: Das praxisnahe Training und die damit verbundene Vorbereitung auf die späteren beruflichen Herausforderungen im OP können auf diese Weise deutlich verbessert werden. Davon profitieren nicht nur die jungen Ärztinnen und Ärzte, sondern letztlich vor allem die Patienten. Wir hoffen daher, dass diese Entwicklung zügig zur Marktreife gebracht werden kann.“
Priv.-Doz. Dr. Zajonz, der in der Klinik Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz auch für PJ-Studierenden zuständig und erster Ansprechpartner ist, sieht für VR-Simulatoren auch in anderen Fachbereichen gute Einsatzmöglichkeiten. Nach seiner Einschätzung könnten auf diesem innovativen Weg universelle Übungsschritte angeboten und damit die Ausbildung in der Medizin weiter optimiert und zugleich attraktiver und sicherer gestaltet werden.


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