Dr. K. H. Eberle Preis für Sturzprävention in der Rehabilitation
Lorenz Assländer und Matthias Albrecht von der Universität Konstanz erhalten den Dr. K. H. Eberle Preis 2025 für eine innovative Augmented-Reality-Brille, die das Gleichgewicht älterer Menschen und neurologischer Patienten verbessern soll.

Die mit knapp 100.000 Euro dotierte Auszeichnung fördert ein Vorhaben, bei dem die Konstanzer Sportwissenschaft und der Fachbereich Informatik und Informationswissenschaft der Universität Konstanz mit den Kliniken Schmieder und einem Experten der Bundesinitiative Sturzprävention zusammenarbeiten.
Das Risiko zu stürzen ist bei älteren Menschen deutlich erhöht. Etwa 30% aller über 65-Jährigen stürzen mindestens einmal pro Jahr, bei etwa 10% davon führt dies zu Verletzungen. Für die einzelnen hat dies dramatische individuelle Folgen, wie den Verlust an Mobilität und Selbstständigkeit, der Gesellschaft verursacht dies enormen Kosten im Gesundheitswesen. Die Augmented-Reality-Brille, die im Projekt „AVOC – Augmented Visual Orientation Cues“ weiterentwickelt und validiert werden soll, will dem Abhilfe schaffen. Die Dr. K. H. Eberle-Stiftung widmet ihren Preis 2025 diesem Vorhaben von Sportwissenschaftler Lorenz Assländer sowie Matthias Albrecht, der in Informatik promoviert, beide von der Universität Konstanz. Die Preisträger wurden am 9. Dezember 2025 bei einem öffentlichen Festakt an der Universität Konstanz bekannt gegeben. Die Förderung beträgt knapp 100,000 Euro und läuft über 18 Monate.
Forschung für mehr Balance
Visuelle Informationen spielen eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung des Körpers, wie viele Studien belegen. Mit zunehmendem Alter oder durch neurologische Erkrankungen verschlechtert sich jedoch die Fähigkeit, Gleichgewicht über andere Sinneskanäle wie beispielsweise das Gleichgewichtsorgan im Ohr aufrechtzuerhalten. Umso wichtiger wird dadurch der Beitrag des Sehens für eine gute Balance.
Die AVOC-Brille projiziert raumstabile visuelle Orientierungsmuster – etwa Gitterlinien – ins periphere Sichtfeld der Nutzer*innen, die sich mit der realen Umgebung überlagern. „Bewegen diejenigen, die die Brille tragen, ihren Kopf, verschieben sich die Muster nicht, sondern bleiben aus ihrer Sicht ortsfest. Dies liefert ihnen zusätzliche Informationen zur Lage und Bewegung im Raum. Dabei bleibt das zentrale Sichtfeld frei, sodass die Menschen uneingeschränkt in ihrer Umwelt agieren können“, erklärt Albrecht, der bereits einen Prototyp dieser AR-Brille entwickelt hat. Sportwissenschaftler Assländer ergänzt: „Nach kurzer Zeit nehmen sie die Muster meist nicht mehr bewusst wahr, profitieren aber unbewusst von einer stabileren visuellen Orientierung. Ziel des Projektes ist es nun, die Auswirkung auf das Sturzrisiko und die empfundene Sturzangst bei gefährdeten Personen systematisch zu untersuchen.“ Das Projekt zielt darauf ab, mithilfe der AVOC-Brille sowohl akute Gleichgewichtsprobleme zu verringern als auch neue Wege in der Rehabilitationsbehandlung zu eröffnen.
Das Projekt soll zwei konkrete Anwendungsfelder der Brille weiterentwickeln und wissenschaftlich überprüfen: Wie wirkt sich das Tragen der Brille auf das subjektive und objektive Gleichgewicht bei Menschen mit bestehenden Gleichgewichtsdefiziten aus? Und wie lässt sich die AVOC-Brille in der neurologischen Rehabilitation einsetzen? Beispielsweise könnte sie als Trainingshilfe eingesetzt werden, um Patient*innen früher mit anspruchsvolleren Übungen zu konfrontieren oder um die Anpassungsfähigkeit des Gleichgewichtssystems durch visuelle Störungen gezielt zu fördern. Das Projekt soll in Zusammenarbeit mit den Kliniken Schmieder stattfinden.
Der Ansatz der Forschenden geht technologisch und methodisch neue Wege, da er auf eine kontinuierliche, präventive Unterstützung im Alltag setzt. Aktuell werden zur Verminderung des Sturzrisikos älterer Menschen vor allem klassische Trainingsmaßnahmen eingesetzt, etwa um die Reaktion bei akutem Gleichgewichtsverlust zu schulen, oder Frühwarnsysteme. Doch diese greifen erst ein, wenn ein Sturz bereits droht oder erfolgt ist.
„Dank der großzügigen Förderung durch den Dr. K. H. Eberle Preis können wir die AVOC-Brille mit dem Ziel weiterentwickeln, die Lebensqualität von vulnerablen Bevölkerungsgruppen nachhaltig zu verbessern“, freuen sich die Preisträger. „Längerfristig planen wir eine Ausgründung aus der Universität, um die AVOC-Brille zur Marktreife zu bringen.“















