Angewandte Präzisionsmedizin: Mit High-Tech-Mikroskop zur passenden Rheumatherapie
Mit einer neuartigen Mikroskopie-Methode haben Wissenschaftler des CeMM und der Medizinischen Universität Wien ein Verfahren erprobt, das anhand von Blutproben von Rheumapatienten das individuell geeignetste zugelassene Medikament vorhersagen kann.


Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift EBioMedicine, ist ein Machbarkeitsnachweis für eine Anwendung der Präzisionsmedizin, mit der sich die Therapie von Rheumatoider Arthritis und vermutlich auch anderen Autoimmunerkrankungen entscheidend verbessert ließe.
Rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke, allein in Österreich leiden darunter mehr als 60.000 Menschen, Frauen sind dreimal so häufig betroffen wie Männer. Zwar haben die letzten Jahrzehnte bedeutende Fortschritte in der Behandlung gebracht, und es wurde eine Vielzahl an Medikamenten entwickelt, die sehr unterschiedlich wirken. Doch nach wie vor erreichen viele Patienten keine klinische Remission, die Krankheitssymptome lassen sich also nicht vollständig beseitigen, da es an Werkzeugen fehlt, mit denen die individuell passenden Wirkstoffe ermittelt werden können.
Die Wahl der Therapie erfolgt meist nach dem „Trial and Error“-Prinzip, bei dem ein Wirkstoff nach dem anderen ausprobiert wird. Zwar gibt es bereits eine Reihe an Biomarkern, mit denen der Erfolg einer bestimmten Therapie abgeschätzt werden kann, doch sind diese noch nicht in der Praxis einsetzbar oder bedürfen invasiver Eingriffe.
Die Arbeitsgruppe von Giulio Superti Furga am CeMM hat in jahrelanger, erfolgreicher Kollaboration mit der Medizinischen Universität Wien nun erstmals ein präzisionsmedizinisches Verfahren erprobt, das Zukunft eine zielgerichtete, präzise Wahl der Therapie bei rheumatoider Arthritis und vermutlich auch anderen Autoimmunerkrankungen erlauben könnte.
Zelltypen beeinflussen Krankheit und Therapie
Das Verfahren basiert auf einer hochmodernen Mikroskopiemethode, die vollautomatisiert eine große Menge an Bilddaten erzeugen und auswerten kann. Sie wurde ebenfalls am CeMM unter dem Namen „Pharmacoscopy“ 1, 2 entwickelt und erlaubt die direkte Messung der Auswirkungen von Wirkstoffen auf eine Vielzahl einzelner Zellen – was mit herkömmlichen molekularbiologischen Methoden viel zu aufwendig wäre, um es in diesem Ausmaß durchzuführen. Außerdem lassen sich damit die Effekte der Wirkstoffe beobachten, ohne die dahinterliegenden molekularen Mechanismen aufklären zu müssen.
In der aktuellen Studie wurde die Mikroskipiemethode mit einem „ex-vivo“ Stimulationsverfahren kombiniert. Dabei werden Immunzellen aus Blutproben von Patienten außerhalb des Körpers („ex vivo“) mit Medikamenten gegen Rheumatoide Arthritis behandelt, die Effekte der Wirkstoffe auf die Immunzellen werden daraufhin mikroskopisch untersucht.
So gelang es den Forschern eine Momentaufnahme des Verhaltens der Immunzellen bei unterschiedlichen Bedingungen zu erhalten. Sie stießen dabei auf bestimmte Arten von zellulären Phänotypen, die mit der Aktivität der Erkrankung zusammenhängen und auch das Ansprechen der Medikation beeinflussen. Diese Phänotypen könnten in Zukunft dazu verwendet werden, um den Therapieerfolg verschiedener Medikamente in einer Blutprobe vorab zu testen, bevor man sie den Patienten verabreicht.
„Die Daten dieser Studie stellen die Grundlagen zur weiterführenden Entwicklung von Assays dar, die es erlauben sollen, Phänotypen zu identifizieren, die mit einem Ansprechen von Autoimmunerkrankungen auf eine bestimmte Medikation vorhergesagt werden kann“, fasst Felix Kartnig, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Giulio Superti-Furga am CeMM und Erstautor der Studie, die Ergebnisse zusammen.
„Die Etablierung dieses Werkzeugs und der Nachweis seines Konzepts bilden eine beeindruckende wissenschaftliche Grundlage für die Bewertung dieser Technologie im Rahmen geplanter klinischer Studien und unterstreichen somit den Wert innovativer translationaler Forschung“, erklärt Leonhard Heinz, Co-Autor und Principal Investigator an der Abteilung für Rheumatologie der Medizinischen Universität Wien.
„Die hier erprobte Methode ist ein wunderbares Beispiel für eine zukünftige Präzisionsmedizin“, so Studienleiter Giulio Superti-Furga. „Unsere langjährige Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien hat hier erneut Früchte getragen – wir konnten zeigen, dass durch die systematische und vollautomatisierte Analyse der Effekte von Wirkstoffen auf einzelne Zellen tatsächlich auf die Wirkungsweise einer Therapie im Menschen geschlossen werden kann.“
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