03.11.2025 • News

Unheilvoller Fehlalarm in der Niere

Bonner Forschende enthüllen, wie ein winziges RNA-Molekül in der Niere eine tödliche Autoimmunerkrankung auslöst.

Molekularer Mechanismus für tödliche Nephritis aufgeklärt: Das Team um Prof....
Molekularer Mechanismus für tödliche Nephritis aufgeklärt: Das Team um Prof. Hiroki Kato hat herausgefunden, wie kleine RNA-Moleküle den mutierten viralen Sensor RIG-I aktivieren und zu tödlicher Nephritis führen. Foto: Universitätsklinikum Bonn (UKB)

Wie ein kleines, natürlich vorkommendes RNA-Molekül in der Niere einen mutierten Immunrezeptor aktiviert und damit eine Kettenreaktion auslöst, haben Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn herausgefunden. In Zusammenarbeit unter anderem mit der Nanyang Technological University Singapore und des Universitätsklinikums Würzburg liefert die Studie eine Erklärung dafür, wie eine Punktmutation in dem Immunrezeptor RIG-I das Abwehrsystem des Körpers in eine selbstzerstörerische Kraft verwandelt und eine schwere organspezifische Autoimmunerkrankungen verursacht. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift „Science Immunology“ veröffentlicht.

RIG-I ist ein wichtiger Sensor im angeborenen Immunsystem, der virale RNA erkennt und die antivirale Abwehr aktiviert. Bestimmte Veränderungen im Erbgut, fachsprachlich Mutationen, können RIG-I jedoch überempfindlich machen, sodass der Immunrezeptor die körpereigene RNA mit viralen Eindringlingen verwechselt. Das Forschungsteam fand heraus, dass Mäuse, die eine mit Patienten assoziierte RIG-I-E373A-Mutation aufwiesen, spontan eine lupusähnliche Nephritis entwickelten, eine schwere und oft tödliche Nierenentzündung. Im Gegensatz zum klassischen Lupus, bei dem es aufgrund von Ablagerungen von Immunkomplexen zu Entzündungen kommt, entstand die Erkrankung bei diesen Mäusen durch eine direkte Nierenentzündung, die durch das mutierte RIG-I ausgelöst wurde.

Versteckte, gewebsspezifischer Aktivator von Autoimmunentzündungen

Weitere Untersuchungen zeigten, dass eine kurze, nicht-kodierende RNA, bekannt als Y-RNA, die in der Niere stark gebildet wird, direkt an das mutierte RIG-I bindet und dessen abnormale Aktivierung auslöst. „Wir haben entdeckt, dass Y-RNA wie ein Fehlalarm für den mutierten RIG-I-Rezeptor wirkt, insbesondere in Nierenzellen“, sagt Korrespondenzautor Prof. Hiroki Kato, Direktor des Instituts für Kardiovaskuläre Immunologie am UKB und Mitglied des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 der Universität Bonn. „Diese lokale Fehlfunktion des Immunsystems löst eine schwere Entzündung aus, die der menschlichen Lupusnephritis ähnelt.“

Von molekularen Erkenntnissen zum Krankheitsmechanismus

„Mithilfe fortschrittlicher molekularer und struktureller Analysen konnten wir zeigen, dass die RIG-I-E373A-Mutante auf ungewöhnliche Weise an Y-RNA bindet, was selbst ohne Virusinfektion zur Aktivierung des Rezeptors führt“, sagt Erstautorin Saya Satoh, Doktorandin der Universität Bonn in der Arbeitsgruppe von Prof. Kato am UKB. „Diese abnorme Aktivierung veranlasste die Nierenzellen, große Mengen an Interferonen und Chemokinen zu produzieren, wodurch Immunzellen angezogen und Entzündungen ausgelöst wurden.“ Die Forschenden konnten aber auch ein potenzielles therapeutisches Ziel aufspüren: Eine Blockierung des so genannten CCR2-Signalwegs, der Monozyten, die zu den weißen Blutkörperchen gehören, rekrutiert, reduziert die Nierenentzündung bei den betroffenen Mäusen erheblich.

Auswirkungen auf Autoimmunerkrankungen

Mutationen in RIG-I wurden mit seltenen Erbkrankheiten wie dem Singleton-Merten-Syndrom (SMS) und dem systemischen Lupus erythematodes (SLE) in Verbindung gebracht. Diese Studie liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie solche Mutationen selektiv Organe wie die Niere schädigen können. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für die Entwicklung gezielter Therapien ebnen, welche die Aktivierung von mutiertem RIG-I oder dessen interagierenden Y-RNAs blockieren.

Beteiligte Institutionen und Förderung:

Neben dem UKB und der Universität Bonn waren folgende Einrichtungen an der Studie beteiligt: Nanyang Technological University, Singapur, Universitätsklinikum Würzburg, Deutschland, Okayama-Universität, Japan, Kyoto University, Japan. Das Projekt wurde unterstützt von der DFG, der deutschen Exzellenzstrategie EXC 2151 „Nukleinsäureimmunität – Sonderforschungsbereich TRR237“, von Open Philanthropy im Rahmen der Pandemic Antiviral Discovery Partnership und vom singapurischen Bildungsministerium MOE AcRF Tier 1 Award.

Publikation: Saya Satoh et al.: Local activation of mutant RIG-I by short non-coding Y-RNA in the kidney triggers lethal nephritis; Science Immunology; DOI: https://doi.org/10.1126/sciimmunol.adx1135

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