Rasante Entstehung von Antibiotikaresistenzen im Behandlungsalltag


Kieler Forschungsteam untersucht am Beispiel von Mukoviszidose-Erkrankten, wie der Krankheitskeim Pseudomonas aeruginosa resistent gegenüber Antibiotika wird.
Antibiotika-resistente Krankheitserreger stellen weltweit eine der größten Gefahren für die öffentliche Gesundheit dar. In naher Zukunft könnten eigentlich harmlose Bakterieninfektionen nicht mehr behandelbar sein und erneut zu den häufigsten nicht-natürlichen Todesursachen werden. Gleichzeitig wird das zur Verfügung stehende Repertoire an antibakteriellen Wirkstoffen durch die steigenden Resistenzraten zunehmend kleiner. Die prinzipiellen Mechanismen der Resistenzevolution, also die Anpassungen eines Krankheitskeims an die Wirkungsweise eines Medikaments, sind experimentell gut erforscht. Wie sich eine solche Behandlungsunempfindlichkeit gegenüber bestimmten Erregern bei dem einzelnen Patienten im Zuge einer Standard-Antibiotikatherapie entwickelt, wurde dagegen bisher noch wenig untersucht.
Ein Forschungsteam aus der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat die Resistenzentwicklung des Erregers Pseudomonas aeruginosa nun am Beispiel einer kleinen Gruppe von Mukoviszidose-Patientinnen und -Patienten im Detail untersucht. Erstmals erforschten sie dabei, in welchem Umfang die Resistenzbildung des Keims bereits im Laufe eines einzelnen Anwendungszyklus der Antibiotikatherapie abläuft. Tatsächlich bildeten sich bei rund einem Drittel der Betroffenen rasch Unempfindlichkeiten des Erregers gegenüber der Behandlung. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind im Rahmen des Leibniz WissenschaftsCampus „EvoLUNG“ und des Exzellenzclusters „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“ (PMI) entstanden.
Beispiel Mukoviszidose
Das Forschungsteam konzentrierte sich in der Studie auf eine kleine Gruppe von Mukoviszidose-Patienten. Die bislang unheilbare Krankheit, die auch als zystische Fibrose bekannt ist, beruht auf einem gestörten zellulären Wassertransport und führt zu zähflüssigen Körpersekreten und damit verbundenen Funktionsstörungen zahlreicher Organe. Sie betrifft insbesondere Atemwege und Lunge und macht die Erkrankten besonders anfällig für Infektionen. Bei den meisten erwachsenen Betroffenen ist für Lungeninfektionen der Erreger Pseudomonas aeruginosa verantwortlich. Sie müssen in der Folge häufig oder sogar permanent mit Antibiotika behandelt werden.
Um zu beobachten, ob bereits im Zuge einer einzelnen antibiotischen Standardbehandlung mit zwei oder mehreren parallel verabreichten Wirkstoffen Resistenzen entstehen, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler täglich das Bronchialsekret der Betroffenen und entnahmen daraus Pseudomonas-Bakterien. So konnten sie den Verlauf der Anpassung des Keims an die Therapie im Verlaufe von 14 Tagen untersuchen. „Bei etwa jedem Dritten Erkrankten passte sich der Erreger überraschend schnell an die Medikamentengabe an und es bildeten sich innerhalb von einem bis drei Tagen Antibiotikaresistenzen“, fasst Dr. Leif Tüffers, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik, zusammen. „Die schnelle Resistenzentwicklung betraf vor allem neu verabreichte Antibiotika aus der Wirkstoffklasse der Betalactame“, so Tüffers weiter.
Gute Übereinstimmung mit Evolutionsexperimenten
Diese erstmals in Echtzeit an Patienten im klinischen Alltag gewonnenen Erkenntnisse decken sich gut mit den experimentellen Beobachtungen aus vorangegangenen Laborexperimenten mit dem Pseudomonas-Erreger. Zwar entwickeln sich Resistenzen im Labor schneller, teilweise innerhalb weniger Stunden, allerdings wachsen die Bakterien im Körper der Erkrankten deutlich langsamer. Worauf die besonders schnelle Resistenzbildung gegenüber den Betalactam-Antibiotika beruht, zu denen auch das Penicillin gehört, ist noch nicht vollständig geklärt. „Möglicherweise geschieht diese schnelle Anpassung an das Medikament infolge von spontan entstehenden, neuen Mutationen bestimmter Resistenzgene des Krankheitskeims“, sagt Tüffers.
In künftigen Forschungsarbeiten im Rahmen des Exzellenzclusters PMI wollen die Wissenschaftler nun bestimmte evolutionsbasierte Strategien gegen die Resistenzbildung auch im klinischen Umfeld untersuchen, die sich in Laborexperimenten als vielversprechend erwiesen haben. „Die Abläufe der Resistenzevolution sind grundsätzlich vergleichbar, unabhängig davon, ob es sich um ein Laborexperiment mit einem bestimmten einzelnen Bakterium oder die Behandlung einer bakteriellen Infektion bei Patientinnen oder Patienten handelt“, betont Prof. Hinrich Schulenburg, Leiter der CAU-Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik. „Daher wollen wir in künftigen Studien prüfen, inwiefern z.B. das Prinzip der sogenannten kollateralen Sensitivität, bei der die Resistenzbildung eines Keims gegen einen Wirkstoff ihn zugleich empfindlich gegenüber einem zweiten Medikament macht, möglicherweise auch in der komplexeren Situation des Behandlungsalltags auftritt“, so Schulenburg weiter.
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